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Maximale Ukraine-Hilfe, solange für Biden noch möglich

Von Alexander Dworzak

Politik
US-Präsident Joe Biden empfängt Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus.
© REUTERS

Die US-Visite von Präsident Selenskyj symbolisiert, wie sehr die Ukraine aus dem Weißen Haus gestützt wird.


Sei es per Telefon oder Videoschaltung, unzählige Male haben der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und sein US-Amtskollege Joe Biden seit dem russischen Angriff auf die Ukraine miteinander gesprochen. Persönlich begegnet sind sie einander seit dem 24. Februar jedoch nie. Selenskyj hat sein Heimatland seit Kriegsbeginn kein einziges Mal verlassen. Aus Sicherheitsgründen halten sich auch seine Reisen innerhalb der Ukraine in Grenzen. Zuletzt trat er Anfang der Woche in der umkämpften Stadt Bachmut auf.

Mit umso mehr Erstaunen wurde international die Meldung von Selenskyjs Visite in den USA aufgenommen. Am Mittwoch reiste er nach Polen, von dort flog er in die Vereinigten Staaten. Am Mittwochabend ist der 44-Jährige am Militärflughafen Joint Base Andrews gelandet. Kurz danach wurde er von US-Präsident Joe Biden und dessen Ehefrau Jill vor dem Weißen Haus in der Hauptstadt Washington empfangen.

Biden sagte Unterstützung zu

Biden sagte der Ukraine im Abwehrkampf gegen Russland weitere Unterstützung zu. "Wir werden weiterhin die Fähigkeit der Ukraine stärken, sich selbst zu verteidigen, insbesondere die Luftverteidigung, und deshalb werden wir der Ukraine Patriot-Raketenbatterien bereitstellen", sagte er. Seine Botschaft an den Gast: "Präsident Selenskyj, die Vereinigten Staaten stehen hinter den tapferen Menschen in der Ukraine."

Der ukrainische Präsident bedankte sich "aus ganzem Herzen" für die Unterstützung der USA. Die Ukraine sei auf dem Schlachtfeld in einer guten Situation "wegen Ihrer Unterstützung". Bei den Gesprächen mit Biden werde es unter anderem auch um die Energiekrise in seinem Land gehen.

Selenskyj schenkte seinem US-Kollegen zu Beginn eines Besuchs in Washington die Medaille eines Soldaten. "Ich möchte Ihnen etwas von einem Mann geben, der wirklich ein Held ist", sagte er an Biden gerichtet und gab ihm die Medaille. Der ukrainische Soldat habe Selenskyj gebeten, die Auszeichnung an den US-Staatschef weiterzugeben. "Er ist sehr mutig und er sagte, ich solle es an einen sehr mutigen Präsidenten weitergeben." Biden bedankte sich.

Anlehnung an Churchill

Selenskyjs Visite soll dramaturgisch an den Besuch des britischen Premiers Winston Churchill vor 81 Jahren anknüpfen; der war damals ebenfalls zur Weihnachtszeit und nur wenige Tage nach dem japanischen Angriff auf die US-Pazifikflotte in Pearl Harbor. Selenskyj verglich den Widerstand der Ukraine gegen Russland bereits in der Vergangenheit mit dem einsamen Kampf der Briten gegen Nazi-Deutschland, bis die Vereinigten Staaten Kriegspartei wurden. "Wir werden nicht aufgeben, wir werden nicht verlieren, wir werden bis zum Ende kämpfen", paraphrasierte Selenskyj einen Ausspruch Churchills gegenüber den britischen Parlamentariern im März.

Dass die Ukraine dazu militärisch in der Lage ist, verdankt sie großteils den USA. Selenskyjs Besuch ist auch ein Fingerzeig Washingtons Richtung Moskau: Die Vereinigten Staaten unternehmen auch künftig alles Mögliche, damit die Truppen von Wladimir Putin geschlagen werden. Beobachter gehen unisono davon aus, dass Biden in Anwesenheit von Selenskyj weitere 1,8 Milliarden Euro an Militärhilfe ankündigt. Darunter fällt auch das Flugabwehrsystem Patriot, welches die Ukraine seit längerem einfordert.

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Angesichts der russischen Angriffe auf Städte sowie zivile Infrastruktur und die streckenweise Lahmlegung der Stromversorgung in einem bitterkalten Winter haben die USA Selenskyjs Drängen nachgegeben. Die Patriot-Flugabwehr kam im Golfkrieg 1991 erstmals zum Einsatz, wurde laufend weiterentwickelt und zählt zu den besten Systemen weltweit. Flugzeuge und Raketen können aus 100 Kilometern Entfernung und in bis zu 30 Kilometern Höhe abgeschossen werden.

Damit kommt die Ukraine ihrem Ziel einer "No-Fly-Zone" für russisches Gerät näher. Bereits kurz nach Kriegsbeginn äußerte die Regierung in Kiew diesen Wunsch. Die USA und weitere Nato-Länder lehnten allerdings ab, hätten sie doch für die Durchsetzung der Flugverbotszone sorgen müssen. Das wäre auf einen direkten Kriegseintritt der Nato gegen Russland hinausgelaufen - eine Eskalation, die Biden stets zu verhindern trachtete.

In der Zwischenzeit ist die Ukraine von den USA, EU-Staaten, und anderen westlichen Partnern wie Großbritannien und Kanada aufgerüstet worden. Die USA machten bis Ende November Zusagen in Höhe von knapp 23 Milliarden Dollar, damit mehr als die Hälfte aller Versprechen für Waffen beziehungsweise Finanzhilfe für Waffenkäufe. Der Beitrag der zweitplatzierten Briten liegt um mehr als 18 Milliarden Dollar hinter den US-Ausgaben. Danach folgen mit Deutschland und Polen zwei EU-Länder. Die Unionsinstitutionen liegen wiederum bei finanziellen Zusagen deutlich vorne, zeigen Daten des "Ukraine Support Tracker", betrieben vom Kiel Institut für Weltwirtschaft.

Geld für Grenzsicherung

Dauerhaft sicher darf sich die Ukraine der US-Unterstützung aber nicht sein. Zwar haben Demokraten und Republikaner im Haushaltsentwurf auch Hilfen in Höhe von umgerechnet 42,3 Milliarden Euro für die Ukraine vereinbart. Senat und Repräsentantenhaus müssen noch darüber abstimmen. Mit den US-Zwischenwahlen vom November ist das Repräsentantenhaus wieder in Händen der Republikaner, Anfang Jänner treten die Abgeordneten ihre Ämter an. Einige Anhänger von Ex-Präsident Donald Trump fordern bereits, Milliarden für die Ukraine sollten besser zur Abwehr von Migranten und der Grenzsicherung im Süden der USA eingesetzt werden. Der wahrscheinliche nächste Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, warnte laut CNN die Ukraine bereits, sie solle keinen Blankoscheck der US-Parlamentskammer erwarten.

Schlagen die Republikaner tatsächlich diesen Kurs ein, wäre das auch eine Ansage an Joe Biden. Der erhob den Kampf für Demokratie und gegen den Einfluss autoritärer Regime wie Russland und China zum zentralen Ziel seiner Präsidentschaft.