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Demokraten sondieren Alternative zu Biden

Von Alexander Dworzak und Michael Schmölzer

Politik

Die Wiederkandidatur des US-Präsidenten schien sicher, nun ist er mit einer Aktenaffäre konfrontiert.


Die Vorzeichen hätten für die Demokraten kaum besser sein können. Zwar stellen sie seit Jahresbeginn nur die Minderheit der Abgeordneten im Repräsentantenhaus. Aber Teile der Republikaner machten bei ihrer ersten Amtshandlung deutlich, dass sie keinen Wert auf konstruktive Politik in der Parlamentskammer legen. Sie blockierten die Wahl ihres Parteikollegen Kevin McCarthy zum "Speaker" des Hauses. Er errang erst im 15. Wahlgang die Mehrheit.

Nun stehen nicht die Republikaner in der Kritik, der demokratische Präsident Joe Biden ist mit einer Aktenaffäre konfrontiert. Vertrauliche, jedoch nicht geheime Dokumente aus seiner Zeit als Vize unter Barack Obama wurden in Bidens Haus sowie in seinem einstigen Büro gefunden. Der Fall erinnert an die Funde bei Trump, wiewohl in anderem Ausmaß: In der Villa des Ex-Präsidenten fand das FBI 13.000 Dokumente, darunter 100 als geheim gekennzeichnete. Dies, nachdem Trumps Anwälte behauptetet hatten, ihr Mandant hätte alles retourniert.

Eine Straftat liegt zwar erst vor, wenn geheime Aufzeichnungen vorsätzlich aufbewahrt oder entfernt worden sind. Dennoch kommt die Akten-Causa für Biden zur Unzeit. Denn nach dem republikanischen Speaker-Chaos sollte der Präsident als Garant für Stabilität dargestellt und die Kampagne für seine Wiederwahl 2024 auf Schiene gebracht werden. Auch die Demokraten scharten sich um Biden, obwohl er 80 Jahre alt ist und bereits jetzt der älteste Präsident der US-Geschichte. Schon länger wünschen sich 40 Prozent der demokratischen Sympathisanten einen anderen Kandidaten. Die Partei beschäftigt sich wieder mit Alternativen zu Biden.

Für Aufsehen sorgte zuletzt Hakeem Jeffries. Der frisch gekürte Oppositionsführer im Repräsentantenhaus hielt eine Rede, in der er einerseits Kooperationsbereitschaft mit konstruktiven Republikanern zeigte, aber auch Kritik an der Partei übte und Gegensatzpaare von A bis Z bildete: von amerikanischen Werten versus Autokratie bis zu eifriger ("zealous") Vertretung der Bürger versus politischen Nullsummenspielen ("zero-sum"). Jeffries’ Auftritt erinnerte viele an die Rede Barack Obamas 2004, die den Senator des Staates Illinois landesweit bekannt machte. Vier Jahre später zog Obama ins Weiße Haus ein.

Mit dem Ex-Präsidenten teilt Jeffries nicht nur die Kunst, Menschen zu begeistern. Beide sind Afroamerikaner, studierte Juristen und Absolventen von Elite-Universitäten. Privilegiert waren Jeffries’ Eltern jedoch nicht, beide waren Sozialarbeiter. Diese Aufstiegsgeschichte werden Wähler im Falle einer Kandidatur wohl oft hören. Anders als einst Obama ist Jeffries bereits langgedienter Abgeordneter, seit 2013 vertritt er den achten New Yorker Wahlbezirk im Repräsentantenhaus.

Schwachstelle New York

Die politische Heimat des 52-Jährigen ist derzeit eine Schwachstelle der Demokraten. Jahrelange interne Querelen sorgten dafür, dass bei den Zwischenwahlen im November New Yorker Sitze an die Republikaner gingen, die sich damit die Mehrheit im Repräsentantenhaus sicherten. Jeffries und ein anderer New Yorker, der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, müssen die Partei dort neu aufbauen - auch mit Blick auf die Präsidentschaftswahl 2024.

Sollte sich Biden - freiwillig oder gezwungenermaßen - gegen eine Wiederkandidatur entscheiden, könnte aber auch die Stunde der Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, schlagen: Ihr hartnäckiges Eintreten für ein US-weites Recht auf Abtreibung hat ihr zuletzt viele Sympathien eingebracht. Dass sie im Rennen um den Gouverneurssessel mit Tudor Dixon im November eine exponierte Trump-Anhängerein besiegt hat, hat Whitmers Renommee ebenfalls einen gewaltigen Schub verliehen.

Und die 51-Jährige ist eine kampferprobte Frau: Wochenlang besetzten rechte Milizen das Parlament von Michigan, im Oktober 2020 wurden schließlich zwölf Männer verhaftet, die detailreich die Entführung und Ermordung Whitmers geplant hatten. 2020 hatte sie schon als Bidens möglicher "Running Mate" gegolten, ehe er sich doch für die heutige Vizepräsidentin Kamala Harris entschied.

Auch die 58-Jährige gilt als mögliche Anwärterin auf das Weiße Haus. Bei einem Erfolg wäre sie als erste Frau und Nicht-Weiße auf dem Präsidentensessel eine echte Novität in Washington. Allerdings sind die Möglichkeiten, sich politisch zu profilieren, für Vizepräsidenten traditionell eher gering. Eine besondere Gelegenheit bot sich Donald Trumps Vize Mike Pence, der im Zuge des Kapitolsturms im Jänner 2021 als einer der Retter der US-Demokratie in Erscheinung trat.

Harris hat in ihrer Amtszeit, in der sie zunächst wenig Akzente setzte, eher für Enttäuschung gesorgt. Ihre Beliebtheitswerte sind niedrig, einen entscheidenden Fehler hat sie sich bisher allerdings auch nicht geleistet. In den vergangenen Wochen befand sich Harris im Aufwind, ihr Einsatz für Gleichberechtigung und für das Recht auf Abtreibung hat ihr Sympathien eingebracht. Biden könnte ihr in seiner restlichen Amtszeit verstärkt die Möglichkeit einräumen, sich zu profilieren.

Für die allseits geforderte Verjüngung der Demokraten-Führung steht der 40-jährige Verkehrsminister Pete Buttigieg. Er ist relativ neu in der Polit-Arena, vor drei Jahren war er noch Bürgermeister einer 100.000-Einwohner-Stadt in Indiana und national völlig unbekannt.

Bei den letzten Präsidentschaftsvorwahlen der Demokraten feierte er unerwartete Erfolge. Buttigieg ist nun erster offen homosexueller Minister im Bundeskabinett. Dass er im Zuge der Midterm elections im November 2022 mehrere US-Staaten bereiste, um dort demokratische Kandidaten zu unterstützen, wird als Indiz für sein Streben nach Höherem gesehen.