Nach seinem US-Amtskollegen Joe Biden in der Nacht auf Mittwoch wendet sich nun Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa dem großen Ganzen zu. Am Donnerstag hält auch er eine Rede zur Lage der Nation. Beide Länder eint weiters, dass im kommenden Jahr Präsidentschaftswahlen abgehalten werden, und beide Staatsoberhäupter scheinen großes Interesse an einer zweiten Amtszeit zu haben.
Ramaphosa, der auch Regierungschef ist, kämpft mit hoher Arbeitslosigkeit und Kriminalität sowie den gestiegenen Lebenshaltungskosten in Südafrika. Sehnsüchtig warten die 60 Millionen Bürger darauf, wie die Elektrizitätskrise gelöst wird. Seit Mitte vergangenen Jahres gibt es Stromausfälle, die bis zu zwölf Stunden am Stück andauern. Afrikas am stärksten industrialisierten Wirtschaft wird dieses Jahr nur ein Wachstum von 0,3 Prozent vorausgesagt, 2022 waren es noch 2,5 Prozent.
Und die Affäre um einen Raubüberfall auf seinen Landsitz hat Ramaphosas Image erheblichen Schaden zugefügt. Ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss fand im November genug Hinweise auf ein Fehlverhalten Ramaphosas, um die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens zu rechtfertigen.
ANC hält trotz Skandals
an Ramaphosa fest
Nur der Mehrheit seiner Partei, des Afrikanischen Nationalkongresses ANC, im Parlament war es zu verdanken, dass es nicht dazu kam. Die Untersuchungen betreffen Ramaphosas Rolle bei einem mutmaßlichen Raubüberfall auf seinen Landsitz Phala Phala im Februar 2020. Der frühere Geheimdienstchef Arthur Fraser hatte Ramaphosa im Juni vorgeworfen, vier Millionen Dollar in bar in seinem luxuriösen Anwesen versteckt zu haben. Nach einem Einbruch in seiner Farm soll Ramaphosa die Einbrecher entführt und bestochen haben, damit geheim bleibt, dass er so viel Geld dort gelagert hatte.
Dabei hatte Ramaphosa anlässlich seines Amtsantritts 2018 ein großes Versprechen abgegeben: "Ich werde sehr hart dafür arbeiten, das südafrikanische Volk nicht zu enttäuschen." Als Nachfolger des skandalumwitterten Jacob Zuma versprach er, die Korruption zu bekämpfen.
Trotz des Skandals wählten die Mitglieder des ANC Ramaphosa im Dezember vergangenen Jahres erneut zu ihrem Vorsitzenden. Die Entscheidung war richtungsweisend, da der ANC-Chef traditionell auch als Spitzenkandidat der Partei bei den Parlamentswahl antritt.
Dabei Ramaphosa stand schon in der Vergangenheit in der Kritik wegen der Finanzierung seiner Kampagne vor seiner Wahl zum Parteichef 2017. Ihm wurde vor allem eine Falschaussage über eine Spende von umgerechnet knapp 28.000 Euro vorgeworfen. 2018 wurde Ramaphosa vom Verfassungsgericht freigesprochen.
Einen guten Ruf genießt Ramaphosa bei jenen, die seinen Anti-Apartheid-Kampf betonen und dass er ein Vertrauter von Südafrikas erstem schwarzen Präsidenten Nelson Mandela war. Beim friedlichen Übergang Südafrikas von einem auf Rassenideologie basierenden, autoritären Staat zur Demokratie spielte Ramaphosa eine entscheidende Rolle. Er war der Chefunterhändler des ANC, später führte er die Gruppe an, welche die neue Verfassung des Landes ausarbeitete.
In den 1990ern unterlag er Thabo Mbeki im parteiinternen Machtkampf um die Nachfolge Mandelas und wandte sich - äußerst erfolgreich - der Geschäftswelt zu. Dieser Glanz ist jedoch verblasst.(apa/afp/red.)