Der Tod von Jina Mahsa Amini im September 2022 hat eine Protestwelle im Iran ausgelöst. Doch dazu hat es auch die Information über das Schicksal der 22-Jährigen gebraucht. Die beiden Journalistinnen, Niloofar Hamedi und Elahe Mohammadi, waren die Ersten, die über Amini berichteten. Hamedi schlug Alarm aus dem Krankenhaus, in dem Amini im Koma lag, und berichtete Mohammadi über ihre Beerdigung, die die ersten Proteste zur Folge hatte.

Beide Journalistinnen befinden sich seit Monaten in Haft, beiden droht die Todesstrafe. Vergangenes Wochenende wurde auch die Schwester von Elahe Mohammadi, Elnas, ebenfalls Journalistin, festgenommen.

"Die Regierung in Teheran versucht mit aller Macht, sämtliche Informationen über die Proteste zu unterdrücken, die dem offiziellen Narrativ zuwiderlaufen", sagt Christopher Resch, Iran-Experte der Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen (RSF). Im Vorjahr belegte der Iran den 178. Platz der RSF-Rangliste der Pressefreiheit. Nur Eritrea und Nordkorea lagen dahinter.

Neben der ohnehin allgegenwärtigen Zensur und Überwachung off- und online sowie der alltäglichen Gegenpropaganda durch die Behörden komme es seit Beginn der Proteste in großer Zahl zu Drohungen, Beleidigungen, Diffamierungen und tätlichen Angriffen auf Journalisten. "Viele wurden gezielt und ohne Angabe von Gründen oder richterlichen Beschlüssen festgenommen, auch nachts, auch aus ihren Privatwohnungen oder -häusern, und häufig ohne Nachweis, woher die Sicherheitskräfte kommen oder welche Behörde sie geschickt hat."

Große Risiken

Mobiltelefone, Laptops oder Computer werden häufig konfisziert. Zum Teil würden Journalisten gezwungen werden, ihre Social-Media-Accounts oder einzelne Artikel zu löschen und Passwörter preiszugeben. Viele nehmen solche Schritte aus Angst auch selbst vor, sagt Resch.

Das in New York ansässige Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) hat seit Beginn der Protestwelle im September die Verhaftung von mehr als 90 Journalisten dokumentiert. "Die meisten von ihnen wurden zu sehr harten Strafen verurteilt, andere sind aus dem Land geflohen", sagt Yeganeh Rezaian, Forscherin der NGO. Sie unterstreicht: Ohne die Journalisten innerhalb der Islamischen Republik "hätten wir nur sehr wenig genaue Informationen über die Geschehnisse im Land".

Vor allem in der gegenwärtigen Situation, in der das Regime ausländischen Journalisten von westlichen Medien kaum Visa erteilt, sind ihre Informationen von großer Bedeutung. Um ihre Arbeit zu erschweren, kommt es laut Resch oft zu großflächigen Sperren von Internet und Mobilfunk, häufig zur Zeit von konkreten Protesten oder Aktionen der Sicherheitskräfte. Das Ausschalten der journalistischen Stimmen gefährde aber die allgemeine Sicherheit. Der breiten Bevölkerung fehle ein Mittel, sich beispielsweise über gewaltsame Auseinandersetzungen zu informieren.

Artikel 24 der iranischen Verfassung garantiert die Pressefreiheit, aber dem Pressegesetz von 1986 nach ist es den Behörden erlaubt, sicherzustellen, dass Journalisten "die Islamische Republik nicht gefährden", "den Klerus und den obersten Führer nicht beleidigen" und "keine falschen Informationen verbreiten".

Gefahr im Ausland

Kritische Berichterstattung im Iran selbst und nach außen ist dem Regime ein Dorn im Auge, besonders bei der aktuellen Stimmung im Land. "Sie glauben, dass dadurch die Proteste weiter Zulauf bekommen - deshalb auch der Vorwurf, die nicht staatlich kontrollierten Medien seien Agenten des feindlichen Auslands", so Resch. Die Verfolgung von Medienschaffenden sowie unabhängigen Medien im Iran sind aber keine Neuheit. Seit 1979 ist das Regime laut CPJ für die Verhaftung, Ermordung, Hinrichtung und das Verschwinden von mindestens 1.000 Journalisten und Bürger-Journalisten verantwortlich.

Der Versuch, Journalisten verstummen zu lassen, erstreckt sich auch ins Ausland und auf die Berichterstatter im Exil sowie ihre Angehörigen im Iran. Das bekommen unter anderem die Journalisten von "Iran International" zu spüren, wie Aliasghar Ramezanpour, Chefredakteur und ehemaliger stellvertretender Kulturminister des Iran bestätigt. Zwei seiner Kollegen, die in London arbeiten, wurden vergangenen November von der Metropolitan Police gewarnt, dass eine "glaubhafte und ernsthafte" Bedrohung ihres Lebens bestünde.

Im Iran selbst wurden die Familienangehörigen von Journalisten oft vorgeladen und über die Arbeit ihrer Verwandten befragt. "Es gibt ein Muster für diese Art von Drohungen. Zum Beispiel wird den Befragten oft gesagt, dass die Straßen Londons ,nachts dunkel‘ seien - was eine implizite Drohung darstellt, da man für Angriffe anfällig sein könnte. Oder es wird ihnen gesagt, dass die Adressen und Arbeitswege ihrer Verwandten in London bekannt sind."

Wie gefährlich das Leben von regimekritischen Journalisten im Ausland sein kann, zeigt beispielsweise der Fall von Ruhollah Zam, der in Paris lebte. Auf noch ungeklärte Weise wurde er dazu gebracht, 2019 in den Irak zu reisen, wo er verhaftet und an den Iran ausgeliefert wurde. Dezember 2020 wurde er dort erhängt. "Natürlich sind wir sehr vorsichtig, was die Reise- und Sicherheitsvorkehrungen für unsere Journalisten betrifft, die in den Nachbarländern des Iran arbeiten", erklärt Ramezanpour.

Im Vorfeld der Fußball-Weltmeisterschaft hob Katar, das auf der anderen Seite des Persischen Golfs liegt, die Visa eines Teams der Journalisten auf, die aus Katar berichten wollten. "Dieser Schritt erfolgte, nachdem die iranische Regierung mit katarischen Beamten zusammengearbeitet hat, um, wie sie es bezeichnen, ‚mögliche Probleme‘ während dem Turnier zu vermeiden", berichtet Ramezanpour. Der Kommandeur der Revolutionsgarde, Hossein Salami, drohte Journalisten in Katar ganz offen mit Entführung und der Rückführung in den Iran.

Schwierige Recherche

Viele verfolgen die Nachrichtensendungen von Iran International im Netz oder per Satellit, wobei Menschen im Iran Geldstrafen und die Beschlagnahmung der Empfangsgeräte drohen. Offizielle Daten über die Einschaltquoten im Iran gibt es nicht. "Wir schätzen, dass wir innerhalb des Landes mehr als 40 Millionen Zuschauer haben."

Laut Ramezanpour haben die meisten Journalisten von Iran International zuvor im Iran gearbeitet und verfügen dort über persönliche Netzwerke. Die Iran-International-Redaktion beobachte alle Presseorgane im Iran und erhalte regelmäßig Video- und Audiomaterial über soziale Medien. "Die Menschen wissen, dass der Staatssender nicht über die Unruhen berichtet, also senden sie es uns." Außerdem hatte man Zugriff auf Daten, die von Hackern gewonnen wurden, auch wenn man selbst daran nicht beteiligt sei und keine Verbindungen zu sogenannten hacktivistischen Gruppen habe, so Ramezanpour. "Wir stützen uns also auf inoffizielle und offizielle Informationsquellen. Ein großer Teil unserer Arbeit besteht darin, die Zuverlässigkeit der Informationen, die wir erhalten, zu überprüfen und zu kontrollieren."

Zum Schutz des Autors und seiner Angehörigen im Iran erscheint dieser Text anonym.