US-Vizepräsidentin Kamala Harris hat Russland massive Menschenrechtsverletzungen in der Ukraine vorgeworfen. Dazu gehörten Ermordungen, Vergewaltigungen und die Verschleppung ukrainischer Kinder nach Russland. "Das ist barbarisch und inhuman", sagte sie am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz. "Wir haben die Beweise geprüft, wir kennen die gesetzlichen Normen, und es besteht kein Zweifel: Das sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit."

Harris betonte, die USA würden sich dafür einsetzen, dass russische Verantwortliche für Kriegsverbrechen in der Ukraine zur Verantwortung gezogen würden. "Wir können nicht in einer Welt leben, in der sich die Länder nicht an Regeln und Normen halten."

Den Verantwortlichen drohte die US-Vizepräsidentin mit Konsequenzen: "Ich sage allen, die diese Verbrechen begangen haben, und ihren Vorgesetzten, die an diesen Verbrechen mitschuldig sind: Sie werden zur Rechenschaft gezogen." Verbrechen gegen die Menschlichkeit sind schwere Verstöße gegen das internationale Völkerrecht. Sie sind durch systematische Angriffe gegen die Zivilbevölkerung gekennzeichnet. Zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit zählen zum Beispiel Mord, Versklavung und Deportation.

In ihrer Rede warnte Harris auch China davor, Russland militärisch zu helfen. Alle Schritte Chinas in diese Richtung würden "Aggression belohnen, das Töten fortsetzen und eine regelbasierte Ordnung weiter untergraben."

Abhängigkeit von autoritären Staaten

Zuvor hatte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg  vor einer zu großen Abhängigkeit europäischer Länder von autoritären Staaten gewarnt. "Wir sollten nicht den gleichen Fehler mit China machen", so Stoltenberg. "Was heute in Europa passiert, könnte morgen in Ostasien passieren", hieß es weiter.

Der Westen sollte sich laut Stoltenberg nicht zu abhängig von importierten Produkten und Rohstoffen machen, den Export wichtiger Technologien vermeiden und "unsere kritische Infrastruktur zu Hause schützen". Zwar sollten der Handel und das wirtschaftliche Engagement in China nicht aufhören, "aber unsere wirtschaftlichen Interessen können nicht unsere Sicherheitsinteressen überwiegen". Peking schaue sich genau an, "welchen Preis" Russland für die Invasion der Ukraine zahlen werde. Der Westen müsse der Ukraine geben, "was sie braucht, um zu gewinnen und als souveräne, unabhängige Nation weiter zu bestehen".

Unterdessen kündigte der chinesische Top-Diplomat Wang Yi einen Vorschlag Pekings für Friedensgespräche im Ukraine-Krieg an: "Wir werden etwas vorlegen", sagte Wang auf der Sicherheitskonferenz. Chinas sei für eine friedliche Lösung des Konflikts, fügt er hinzu, ohne Details zu nennen.

Sunak demonstriert Härte

Der britische Premierminister Rishi Sunak forderte in München ein härteres Vorgehen der internationalen Gemeinschaft gegen die russische Aggression in der Ukraine. Die bisherigen Antworten seien "nicht stark genug", sagt Sunak vor dem Plenum. Man befinde sich in diesem Krieg gerade an einem "Wendepunkt". Seine Regierung werde Länder unterstützen, die der Ukraine sofort Kampfflugzeuge zur Verfügung stellen könnten. Die westlichen Alliierten müssten zudem dafür sorgen, dass Russland für den Wiederaufbau der Ukraine bezahle.

Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba schloss  in Folge der Ankündigung eines chinesischen Friedensplans jegliche Gebietsverluste für sein Land aus. Es sei auch im Interesse der Ukraine, dass China eine Rolle bei der Suche nach Frieden spiele, die territoriale Integrität der Ukraine sei aber nicht verhandelbar, sagte Kuleba am Samstag vor Journalisten am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz. "Es sind keine Kompromisse möglich, nicht über den geringsten Quadratmeter."

Nach Kampfpanzern und Kampfjets hat die Ukraine auf der Münchner Sicherheitskonferenz den westlichen Verbündeten einen neuen Waffen-Wunsch für den Kampf gegen Russland präsentiert. Vizeregierungschef Olexander Kubrakow forderte am Freitagabend Streumunition und Phosphor-Brandwaffen - der Einsatz beider Waffen ist sehr umstritten. Wie Russland wolle auch sein Land diese "Art von Kampfmitteln" nutzen.

"Es ist unser Staatsgebiet", sagte Kubrakow. Er verstehe die Schwierigkeiten wegen Konventionen, aber diese Art von Munition könne dazu beitragen, dass man den Angreifern standhalten könne. Der ukrainische Vizeregierungschef spielte damit darauf an, dass der Einsatz von Streumunition völkerrechtlich geächtet ist. Als Streumunition werden Raketen und Bomben bezeichnet, die in der Luft über dem Ziel bersten und viele kleine Sprengkörper freisetzen. Phosphormunition kann bei Menschen schwerste Verbrennungen und Vergiftungen verursachen.

Russische Führung nicht eingeladen

Zur Sicherheitskonferenz sind Politiker und Experten aus rund 100 Ländern eingeladen. Aus Österreich nehmen Außenminister Alexander Schallenberg und Europaministerin Karoline Edtstadler teil. Die russische Führung ist erstmals seit mehr als 20 Jahren nicht eingeladen. Dafür werden aber am späten Samstagabend der russische Kremlgegner Michail Chodorkowski und der frühere Schachweltmeister Garry Kasparow auf dem Podium sitzen. Auch die iranische Führung und Politiker der AfD haben anders als in den Vorjahren keine Einladung erhalten.

Mehrere Tausend Demonstrierende

Während der Sicherheitskonferenz sind in der bayerischen Landeshauptstadt mehrere tausend Menschen bei mehr als einem Dutzend Demonstrationen auf die Straße gegangen.

Allein am Königsplatz zählte die Polizei rund 10.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer bei der Aktion des Bündnisses "München steht auf", das in der Pandemie gegen Corona-Maßnahmen protestierte. Angemeldet waren dort nur 4.000. Am Nachmittag gingen die Teilnehmer durch Schwabing, wobei es nach Polizeiangaben zunächst sehr ruhig zuging. Zur traditionellen Demonstration des "Aktionsbündnisses gegen die NATO-Sicherheitskonferenz" am Stachus kamen demnach rund 2.700 Menschen. Etwa 300 davon bildeten in Richtung Marienplatz eine Menschenkette, die anderen liefen über den Odeonsplatz zum Marienplatz. Am Odeonsplatz zählten die Beamten rund 1.000 Menschen, die sich unter dem Motto "Gemeinsam gegen den Krieg" versammelten.

Neben diesen Demonstrationen fanden noch einige kleinere Versammlungen statt. Bei den meisten blieb es zunächst ohne größere Zwischenfälle, wie ein Polizeisprecher am Nachmittag sagte. (apa)