Es stand Aussage gegen Aussage, wieder einmal. Nach dem Absturz einer US-Drohne im Schwarzen Meer am Dienstagabend gingen auch am darauf folgenden Tag die Deutungen des Vorfalls auseinander. Während das US-Militär von einem Zusammenstoß mit einem russischen Kampfjet sprach, wies das Verteidigungsministerium in Moskau die Verantwortung für den Absturz von sich. Vielmehr habe die Drohne bei einem scharfen Ausweichmanöver rapide an Höhe verloren. Die Dementi wies dann wiederum Washington zurück.

Auf beiden Seiten aber hat sich die Rhetorik weiter verschärft. US-Verteidigungsminister Lloyd Austin bezeichnete das Verhalten der russischen Piloten als gefährlich, rücksichtslos und unprofessionell. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, warnte vor einer Eskalation im Krieg Russlands gegen die Ukraine, indem er erklärte: "Wir wollen nicht, dass dieser Krieg über das hinaus eskaliert, was er dem ukrainischen Volk bereits angetan hat." Der Kreml ließ verlauten, das Verhältnis zwischen den USA und Russland sei in einem "bedauernswerten Zustand" und auf einem Tief. Aus Regierungskreisen in Kiew wiederum hieß es, der Drohnen-Absturz zeige, dass Russlands Präsident Wladimir Putin bereit sei, den Konflikt regional auszudehnen.

Gefährliche Luftmanöver

Tatsächlich mehren sich nun besorgte Stellungnahmen, denn es war der erste Vorfall dieser Art seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine. Allerdings war es nicht das erste riskante Luftmanöver. Das US-Militär kritisierte bereits, das Ereignis reihe sich ein in eine Serie gefährlicher Aktionen von russischen Piloten gegenüber Flugzeugen der USA und der Alliierten im internationalen Luftraum, auch über dem Schwarzen Meer. Diese "aggressiven Handlungen" der Russen seien gefährlich und könnten zu "unbeabsichtigten Eskalationen" führen.

Auf der anderen Seite haben Abfangmanöver nicht unbedingt zum Ziel, ein Flugzeug abzudrängen oder zur Landung zu zwingen, sondern dienen oft dazu, etwa durch Sichtkontakt festzustellen, ob von einem verdächtigen Fluggerät eine Gefahr ausgeht. Sicherheitssprecher Kirby betonte, solche Abfangmanöver seien zwar nicht ungewöhnlich. Dieser Fall steche allerdings heraus durch das unsichere und unprofessionelle Vorgehen der russischen Seite.

Ebenso ist der Einsatz unbemannter Fluggeräte selbst keine Seltenheit. Sind es von russischer Seite etwa gegen die Ukraine gerichtete iranische Angriffsdrohnen, handelte es sich bei dem US-Gerät um eine MQ-9-Drohne. Diese wird in erster Linie zur Aufklärung genutzt, kann aber auch Präzisionsangriffe durchführen. Sie wird aus der Ferne gesteuert. Das Pentagon wollte keine genaueren Angaben dazu machen, was genau die Mission in diesem Fall gewesen sei und ob die Drohne bewaffnet war oder nicht.

Moskaus Botschafter in Washington, der dort ins Außenministerium vorgeladen worden war, warf schon die Frage auf: "Was machen die Drohnen Tausende Meilen entfernt von den Vereinigten Staaten?" Die Antwort darauf gab Anatoli Antonow gleich selbst: "Sie sammeln Geheimdienstinformationen, die später vom Kiewer Regime genutzt werden, um unsere Streitkräfte und unser Territorium anzugreifen."

Russland kündigt Bergung an

Die ukrainische Armee hingegen verteidigte prompt den Einsatz von US-Aufklärungsdrohnen. "Das Schwarze Meer ist kein Binnenmeer Russlands, so wie die Russen das Asowsche Meer besetzt haben und es für ihres halten", sagte der Sprecher der Luftstreitkräfte, Jurij Ihnat, schon in der Nacht zum Mittwoch. Anrainer des Schwarzen Meeres seien auch Nato-Mitglieder, darunter die Türkei und Rumänien, weshalb die US-Drohnen dort auf rechtlicher Grundlage agierten, argumentierte er. Auch die USA hatten sich auf internationales Recht berufen, das solche Tätigkeiten über neutralen Gewässern erlaubt.

In Kiew fügte Ihnat hinzu, dass anstelle der abgestürzten bereits eine neue Drohne im Einsatz sei. Die USA hätten schon lange vor Beginn der großflächigen russischen Invasion vor einem Jahr dort das Monitoring und die Aufklärung geleistet.

Russland will nun eigenen Angaben zufolge versuchen, die Überreste der versenkten Drohne zu bergen. Das US-Präsidialamt wiederum hatte zuvor erklärt, dass das Gerät möglicherweise nicht geborgen werden könne, da das Schwarze Meer an der Absturzstelle sehr tief sei. (reu/dpa/red)