Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping und der französische Präsident Emmanuel Macron sind am Donnerstag in Peking zusammengetroffen. "Ich bin fest davon überzeugt, dass China eine wichtige Rolle bei der Schaffung von Frieden spielt", teilte Macron kurz vorher auf Chinesisch im Kurznachrichtendienst Twitter zum Krieg in der Ukraine mit. Er wolle das bei seinen Gesprächen "diskutieren und vorantreiben". Xi Jinping empfing Macron mit militärischen Ehren.

Nach dem bilateralen Treffen stand eine Dreier-Runde mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bevor. Schon bei einem vorangegangenen Gespräch mit dem neuen chinesischen Regierungschef Li Qiang hatte Macron über den Ukraine-Konflikt gesprochen. Außerdem ging es um den Zugang französischer Unternehmen zum chinesischen Markt, insbesondere bei der Luftfahrt, im Bereich Lebensmittel und im Finanzsektor, wie der Élyséepalast mitteilte.

Bei einer Begegnung mit Parlamentspräsident Zhao Leji betonte Macron auch, welchen Einfluss der Ukraine-Krieg auf die Sicherheit und das globale strategische Gleichgewicht habe. Außerdem sei es wichtig, dass China internationale Abkommen rasch ratifiziere - etwa eines zur Biodiversität in der Hochsee, die UNO-Konvention zur juristischen Immunität von Staaten und ihren Gütern sowie die UNO-Konvention zu Bürgerrechten und politischen Rechten, teilte der Élyséepalast mit.

Beziehung "komplexer" geworden

Von der Leyen traf in Peking mit dem neuen chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang zusammen. Zu Beginn des Gesprächs am Donnerstag wies sie darauf hin, dass China und die EU stark von ihrer gewachsenen Kooperation profitiert hätten, doch seien die Beziehungen in den vergangenen Jahren "komplexer" geworden. Es sei deswegen wichtig, alle Aspekte zu diskutieren, was der EU und China helfen werde, "durch ein schwieriges und unberechenbares Umfeld zu steuern".

China sei von "großer Bedeutung für Europa". Es gebe gegenseitige Abhängigkeiten und eine lange gemeinsame Geschichte. In einer persönlichen Note erinnerte von der Leyen an ihren Vater Ernst Albrecht, der als Ministerpräsident von Niedersachsen Mitte und Ende der 80er Jahre schon China bereist hatte. Er habe damals aus Anhui das erste Kooperationsabkommen zwischen einer chinesischen Provinz und einem Bundesland mitgebracht. Es sei einer der Impulse für die weitreichenden Beziehungen gewesen, die aufgebaut worden seien.

In der Diskussion über den Ukraine-Konflikt wolle er versuchen, "China hinsichtlich einer gemeinsamen Verantwortung für Frieden und Stabilität einzubinden", sagte Macron in einer Rede Mittwochabend in der US-Botschaft. Er verwies auf die engen Beziehungen zwischen China und Russland.

Territoriale Integrität und Souveränität

China habe die Einhaltung der UNO-Charta bekräftigt, wozu auch territoriale Integrität und Souveränität einzelner Länder gehörten. "Diese zu verteidigen, bedeutet, auch zusammen voranzugehen und zu versuchen, einen Pfad zum Frieden zu finden."

Macron verwies auch auf das im Februar vorgelegte chinesische Positionspapier zum Ukraine-Konflikt: "Stimmen wir damit in Gänze überein? Nein, aber es ist interessant", sagte Macron. "Es zeigt seine Bereitschaft, sich darauf einzulassen, den Konflikt zu lösen." Das Zwölf-Punkte-Dokument ruft zu einem Waffenstillstand und einer Wiederaufnahme von Verhandlungen auf. Es war international allerdings kritisch aufgenommen worden, weil es keine Initiative zur Lösung des Konflikts erkennen lies, die Invasion nicht verurteilte und mit Kritik am Westen auch die russische Argumentation wiedergab.

Seit dem Einmarsch in die Ukraine vor gut einem Jahr gibt China Präsident Wladimir Putin politisch Rückendeckung. Der Schulterschluss spiegelt die geostrategische Rivalität mit den USA wider. Die USA und die NATO werden als Hauptschuldige des Konflikts dargestellt. Während Xi Jinping vor zwei Wochen in Moskau mit Putin zusammengetroffen war, gab es seit Beginn des Krieges nicht einmal ein Telefonat mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.

Auch sind die Beziehungen zwischen Europa und China deswegen auf einen Tiefpunkt gefallen. Zusätzlich gibt es Differenzen über eine Schieflage in den Handelsbeziehungen, Menschenrechtsverletzungen in China, Territorialansprüche im Ost- und Südchinesischen Meer, Chinas Drohungen gegen das demokratische Taiwan und sein aggressiveres Auftreten. Vor dem Hintergrund der schlechten Erfahrungen mit der Abhängigkeit von Russland wachsen die Sorgen über die Gefahren in der wirtschaftlichen Kooperation mit der zweitgrößten Volkswirtschaft.

Macron sprach sich gegen eine Abkopplung von China aus. Sicher gebe es eine Rivalität mit der Europäischen Union, aber beide Seiten müssten in wichtigen internationalen Fragen zusammenarbeiten. Ähnlich äußerte sich EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen: "Ich glaube, es ist weder umsetzbar noch im Interesse Europas, sich von China abzukoppeln. Unsere Beziehungen sind nicht entweder schwarz oder weiß - und auch unsere Antwort kann es nicht sein. Deshalb müssen wir uns auf die Risikominderung anstatt Entkopplung konzentrieren."

Trotz aller Bedenken ist der Ausbau der Wirtschaftskooperation zwischen Frankreich und China ein wichtiges Thema des Besuchs von Macron. In seiner Begleitung reist eine 60-köpfige, hochkarätige französische Wirtschaftsdelegation - unter anderem mit Vertretern des europäischen Flugzeugbauers Airbus, des weltweit zweitgrößten Stromerzeugers Électricité de France EDF, des Zugherstellers Alstom und des Abfallunternehmens und Wasserversorgers Veolia.  (apa, dpa, reuters)