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Emmanuel Macrons Taiwan-Desaster

Von Ronald Schönhuber

Politik

Mit der Forderung, die Europäer sollten im Taiwan-Konflikt zurückhaltender agieren, sorgt er für massive Irritationen.


Das Interview auf dem Heimflug nach Frankreich hätte der krönende Abschluss von Emmanuel Macrons großer China-Reise sein sollen. Und der französische Präsident wollte dabei nicht nur eine retrospektive Zusammenschau der drei Tage in Peking liefern, sondern auch eine strategische Verortung des künftigen Umgangs der Europäer mit der Volksrepublik. Die Idee einer strategisch autonomen EU, für die Macron seit seiner Sorbonne-Rede vor knapp fünf Jahren immer wieder leidenschaftlich wirbt, nochmals verdichtet in einem langen Gespräch mit den ihn in der französischen Präsidentenmaschine begleitenden Journalisten.

"Nicht unsere Krise"

Was als richtungsweisender Debattenbeitrag über die Weltpolitikfähigkeit der EU geplant war, hat sich mittlerweile aber zu einem massiven diplomatischen Eklat ausgewachsen, der nicht nur in Europa, sondern auch in den USA für massive Irritationen gesorgt hat. Entzündet hat sich die Kritik dabei vor allem an jenen Passagen des vom US-Nachrichtenportal "Politico" und der französischen Tageszeitung "Les Echos" veröffentlichten Interviews, in denen Macron für ein zurückhaltenderes Auftreten der Europäer im Taiwan-Konflikt auftritt. So muss sich Europa aus Sicht des französischen Präsident als dritter Pol zwischen Washington und Peking etablieren und im Konflikt um das von China als abtrünnige Provinz betrachtete Taiwan seine eigene Strategie verfolgen. "Das Schlimmste wäre zu denken, dass wir Europäer bei diesem Thema zu Mitläufern werden und entweder dem amerikanischen Rhythmus oder einer chinesischen Überreaktion folgen müssen", wird Macron von "Politico" und "Les Echos" zitiert. Europa laufe Gefahr, in Krisen hineingezogen zu werden, "die nicht die unsrigen sein könnten".

Seit der Veröffentlichung des auf den Sozialen Medien vielfach geteilten Interviews bemüht sich der Elyseepalast nun um Schadensbegrenzung. "Die USA sind unsere Verbündeten, wir teilen gemeinsame Werte", erklärte eine Sprecherin am Dienstag. Macron habe oft gesagt, dass Frankreich nicht gleich weit von den USA und China entfernt sei.

Doch so einfach dürften die Wogen wohl nicht nur wegen der jüngsten militärischen Muskelspiele, bei denen China in den vergangenen Tagen demonstrativ eine komplette Blockade der Gewässer um Taiwan geprobt hat, nicht zu glätten sein. Denn schon während seiner China-Reise hatte sich der wegen der Pensions-Proteste innenpolitisch schwer unter Druck stehende französische Präsident den Vorwurf gefallen lassen müssen, in der Volksrepublik die europäische Einigkeit zu hintertreiben und der Regierung in Peking in die Hände zu spielen. So war Macron in der chinesischen Hauptstadt nicht nur mit militärischen Pomp empfangen worden, sondern hatte gemeinsam mit Chinas Staatschef Xi Jinping auch den Abschluss zahlreicher Wirtschaftskooperationen verkündet. Die ebenfalls angereiste EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die vor kurzem eine durchaus kritische China-Rede gehalten hatte, wurde während des gemeinsamen Besuchs in Peking dagegen zumeist in die zweite Reihe gestellt.

Macron habe es geschafft, aus seiner China-Reise einen PR-Coup für den chinesischen Präsidenten und ein außenpolitisches Desaster für Europa zu machen, kritisierte der deutsche Außenpolitiker Norbert Röttgen von der CDU. Ein Angriff auf Taiwan werde wahrscheinlicher, je mehr Xi glaube, Europa bleibe in einem solchen Konflikt neutral.

Scharfe Kritik aus den USA

Deutliche Kritik übte auch der einflussreiche US-Senator Marco Rubio an der von Macron geforderten Distanz zu den USA im geopolitischen Ringen mit China. Wenn Europa sich in der Taiwan-Frage nicht auf die Seite Chinas oder der USA stelle, dann sollten sich die USA im Ukraine-Konflikt vielleicht auch nicht auf eine Seite stellen, sagte der Republikaner in Anspielung auf die massive US-Waffenhilfe für die Regierung in Kiew, ohne die die Ukraine der russischen Übermacht wohl kaum mehr als ein paar Wochen standgehalten hätte.

Eine Chance den Eindruck zu zerstreuen, Taiwan wäre den Europäern egal, sieht man in Deutschland in den kommenden Tagen, wenn Außenministerin Annalena Baerbock nach Peking reist. "China will uns von den USA spalten, dabei stehen wir klar auf der Seite unseres wichtigsten Verbündeten", sagt der CDU/CSU-Fraktionsvize Johann Wadephul. Baerbock müsse bei ihrem Besuch dagegenhalten. "Mehr von der Leyen als Macron sollte dabei die Richtschnur der Außenministerin sein."

Mit seiner Forderung, die Europäer sollten im Taiwan-Konflikt zurückhaltender agieren, sorgt Macron für massive Irritationen.