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Europa ringt um Haltung zu China

Von Klaus Huhold

Politik

Emmanuel Macrons Schatten liegt über dem Besuch der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock in China.


Es ist ohnehin ein heikler Besuch. Doch die jüngsten Ereignisse haben die Visite von Deutschlands Außenministerin Annalena Baerbock in China, die am Donnerstag begonnen hat, noch heikler gemacht. Denn von Baerbock wird erwartet, dass sie auf die Aussagen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron reagiert, der mit Blick auf Taiwan gemeint hat, dass Europa "in Krisen hineingezogen werden könnte, die nicht unsere sind", weshalb die EU weder "dem amerikanischen Rhythmus" folgen noch sich einer "chinesischen Überreaktion anpassen" solle.

Von Baerbock wurde nun im Vorfeld des Besuches eine Art Klarstellung eingefordert: Sie solle deutlich machen, dass den Europäern das Schicksal des demokratisch regierten Taiwans nicht egal ist. Und auch, dass sich Europa im Ringen zwischen den Weltmächten USA und China nicht irgendwo in der Mitte sieht. "Außenministerin Baerbock wird bei ihrem Besuch die Taiwan-Position deutlich machen müssen", sagte etwa SPD-Außenpolitiker Nils Schmid der Nachrichtenagentur Reuters und war dabei nur eine von vielen Stimmen, die diese Aufforderung an die Ministerin richteten.

"Spannungen nicht egal"

Die richtig hochrangigen politischen Gespräche finden erst am Freitag statt, aber schon am Donnerstag traf Baerbock in der Hafenstadt Tianjin, wo sie deutsche Projekte besuchte, lokale Parteikader. Und sie bezog auch schon Stellung. "Spannungen in der Straße von Taiwan können uns nicht egal sein", betonte sie.

70 Prozent der Halbleiter-Lieferungen gingen durch diese Wasserstraße. "Freie Zufahrt ist in unserem eigenen wirtschaftlichen Interesse." Eine militärische Eskalation wäre ein "Worst-Case-Szenario" weltweit, aber gerade für eine Industrie- und Exportnation wie Deutschland, mahnte Baerbock.

Damit bezog die deutsche Außenministerin gleich in zwei Richtungen Position: Erstens machte sie nach den Macron-Aussagen klar, dass europäische Politiker sehr wohl die Taiwan-Krise sehr viel angeht. Und zweitens brachte sie eine ablehnende Haltung gegenüber dem chinesischen militärischen Säbelrasseln zum Ausdruck.

China hat erst kürzlich eine Abriegelung der Insel geprobt und militärische Angriffe auf Taiwan simuliert. Die Volksrepublik sieht die de facto unabhängige Insel als abtrünnige Provinz an und behält sich auch eine gewaltsame Wiedervereinigung vor. Die Militärübungen folgten auf einen Besuch der taiwanischen Präsidentin Tsai Ing-wen in den USA, der die Volksrepublik erzürnt hatte.

Auch aufgrund der sich steigernden Spannungen im Taiwan-Konflikt fällt es Europa immer schwerer, eine Haltung gegenüber China zu finden. In den Strategiepapieren der Union gilt die Volksrepublik als Rivale und Partner zugleich. Doch was das konkret bedeutet, darüber herrscht keine Einigkeit - zumal sich wirtschaftliche und politische Interessen miteinander verbinden und die Länder unterschiedliche Blickwinkel haben.

Auch das illustriert die Debatte rund um Macrons Sager. Er sprach auch davon, dass Europa "strategische Autonomie" anstreben sollte. Chinesische Medien bejubelten diesen Sager - wünscht sich die Volksrepublik doch schon lange, dass sich die EU stärker von den Vereinigten Staaten distanziert.

Doch genau das lässt wiederum in vielen osteuropäischen Ländern die Alarmglocken schrillen. Diese zählen aufgrund der Aggressionen Russlands auf den militärischen Schutzschirm der USA. "Wenn wir über Sicherheit und Verteidigung reden, sollten die Beziehungen mit den USA verstärkt und nicht durch eine strategische Autonomie ersetzt werden", warnt etwa Asta Skaisgiryte, Sicherheitsberater des litauischen Präsidenten.

Darüber hinaus schlossen zahlreiche französische Konzerne - etwa EDF oder Alstom - während des Macron-Besuchs Geschäfte mit China ab. Auch hier sucht Europa seine Position: Einerseits will man nicht mehr so stark auf China, vor allem bei Schlüsselgütern, angewiesen sein. Anderseits benötigen europäische Konzerne den riesigen chinesischen Absatzmarkt für den Verkauf ihrer Produkte oder ist auch die Energiewende ohne chinesische Rohstoffe nicht machbar.

"Wir haben in einigen Bereichen Abhängigkeiten von China, die nicht gesund sind", betonte nun auch Baerbock. Dies bedeute allerdings nicht, sich von China abzukoppeln, was angesichts der Bedeutung der aufstrebenden Weltmacht auch gar nicht möglich sei.

Das Thema Macron sprach sie dann auch noch sehr direkt an: Es gebe keine Spaltung, Macron habe deutlich gemacht, dass seine Politik in völliger Übereinstimmung mit der EU-Haltung liege. Auch wenn Baerbock hier die europäische Einheit betont - die EU ringt noch um ihre Position zu China.