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Neue Verhaftungswelle in der Türkei

Politik

Unter den Festgenommenen befinden sich Oppositionspolitiker, Journalisten und Anwälte.


Ein Politcoup der türkischen Regierung - für die oppositionelle HDP sind die jüngsten Verhaftungen nicht weniger als das. Die von Kurden dominierte Gruppierung prangert damit die Festnahmen von mehr als hundert Personen an. Am Dienstag wurden dutzende HDP-Mitglieder, darunter hochrangige Funktionäre wie die stellvertretende Co-Vorsitzende Özlem Gündüz, verhaftet. Doch gingen die Behörden auch gegen Anwälte und Zeitungs- sowie Agenturjournalisten vor.

Nach HDP-Angaben wurden in 21 Provinzen Razzien durchgeführt, im Rahmen einer Untersuchung der Staatsanwaltschaft in der südöstlichen Stadt Diyarbakir. Die Vorwürfe wurden zunächst geheim gehalten, aber in früheren Fällen waren die Anschuldigungen alle ähnlich: Verbindungen zu oder Unterstützung von Terrororganisationen. Als so eine ist die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) gelistet, nicht nur in der Türkei, sondern auch in der EU und den USA.

Die HDP weist die Vorwürfe, ein verlängerter Arm der PKK zu sein, von sich. Das hinderte die Behörden jedoch nicht daran, schon mehrmals gegen die Oppositionspolitiker vorzugehen, von denen manche bereits seit Jahren hinter Gittern sitzen. Bürgermeister, vor allem im mehrheitlich von Kurden bewohnten Südosten des Landes, wurden abgesetzt. Gegen die Partei selbst läuft ein Verbotsverfahren.

Entscheidender Urnengang

Daher treten die Abgeordneten der zweitgrößten oppositionellen Fraktion bei der Wahl am 14. Mai unter dem Schirm der Partei der Grünen Linken an. An dem Tag stimmen die Türken über ihren Präsidenten und ihr Parlament ab. Staatschef Recep Tayyip Erdogan, der seit zwei Jahrzehnten die Politik seines Landes dominiert und die präsidiale Macht auf Kosten des Parlaments stark ausgebaut hat, hat dabei mit Kemal Kilicdaroglu von der CHP (Republikanische Volkspartei) einen ernst zu nehmenden Gegenkandidaten.

Außerdem stehen Präsident in Regierung wegen der wirtschaftlichen Misere unter Druck. Die Inflation in der Türkei liegt bei rund 50 Prozent, immer mehr Menschen sind von den stark steigenden Lebensmittelpreise getroffen. Hinzu kommen die Folgen der Erdbeben, bei denen Anfang Februar fast 51.000 Menschen umgekommen waren. Auf all das weist das oppositionelle Wahlbündnis rund um Kilicdaroglu hin.

Mit den Stimmen der Kurden

HDP gehört dieser Allianz zwar nicht an. Sie ist dennoch eine Herausforderung für Erdogans konservative AKP. Sie hat viele Sympathisanten unter den Kurden, die schätzungsweise ein Fünftel der Bevölkerung der Türkei ausmachen.

Daher, heißt es aus der HDP, sei das gleichzeitige Vorgehen gegen "Anwälte, die Wahlurnen beschützen, Journalisten, die die Öffentlichkeit informieren und Politiker, die gegen die AKP antreten" kein Zufall. Es seien allerdings vergebliche Angriffe. (czar)