Beinahe vorwurfsvoll blickt Benjamin Franklin von der 100-Dollar-Note. Franklin, sozial gesinnter Staatsmann und Gründungsvater der USA, würde die derzeit herrschende Basar-Mentalität im US-Kongress wohl nicht goutieren. Es geht, wie so oft, um Macht und Einfluss und wird vor allem auf dem Rücken der Bevölkerung ausgetragen.

Die Rede ist von der Schuldenobergrenze. Hier kann jene Partei aufzeigen, die gerade nicht das Präsidentenamt innehat. Hier kann man das Programm des US-Präsidenten verunmöglichen. Und das alles unter dem Deckmantel des vorausschauenden Sparens.

Analysten, Experten und Politiker warnen: Sollte sich der Kongress nicht zu einer Anhebung der Schuldenobergrenze durchringen, dann sind die Finanzmärkte mehr oder weniger im freien Fall, die USA können ihre Schulden nicht mehr begleichen. Ehrlicherweise wird das kaum jemand der Kongress-Abgeordneten wollen - schon allein aus Gesichtspunkten des Eigennutzes. Viele von ihnen haben schließlich beträchtliches Vermögen, unter anderem veranlagt in jenen Aktien- und Anlagemärkten.

Gespräche laufen

Ab Juni würde diesmal die Zahlungsunfähigkeit eintreten. Die Zeit wird knapp, die Nerven liegen wieder blank. Das demokratische Weiße Haus und die US-Republikaner stehen vor einer Patt-Situation.

"Ich hatte das Gefühl, dass wir ein produktives Treffen hatten. Wir haben noch keine Einigung erzielt", sagte der republikanische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, nach einem einstündigen Spitzentreffen im Weißen Haus mit US-Präsident Joe Biden am Montag.

"Wir haben noch einmal bekräftigt, dass ein Zahlungsausfall nicht zur Debatte steht und der einzige Weg, um voranzukommen, darin besteht, in gutem Glauben eine überparteiliche Einigung zu erzielen", sagte Biden in einer Erklärung nach dem Treffen. Er habe ein "produktives Treffen" mit McCarthy gehabt über die Notwendigkeit, "eine Katastrophe für unsere Wirtschaft abzuwenden", sagte Biden. Und McCarthy sagte Reportern, dass Unterhändler "zusammenkommen und die Nacht durcharbeiten werden", um eine gemeinsame Basis zu finden. Biden und er würden nun jeden Tag sprechen, bis eine Vereinbarung auf dem Tisch liege. "Ich glaube, dass wir es noch schaffen können."

Nach Prognosen des Finanzministeriums droht ab Anfang Juni ein Zahlungsausfall der US-Regierung. Käme es wirklich dazu, würde dieser die Weltwirtschaft durch eine globale Finanzkrise in schwere Turbulenzen stürzen. Beide Seiten hatten mehrmals betont, dass sie das Szenario vermeiden wollen. Nur wie?

Gestritten wird über die Anhebung der Schuldenobergrenze von derzeit 31,4 Billionen Dollar (29.014,97 Milliarden Euro). Die Republikaner im Kongress wollen Biden im Gegenzug zu Einsparungen etwa im sozialen Bereich drängen. Die Vorschläge für Ausgabenkürzungen hatte Biden als "extrem" bezeichnet. McCarthy erklärte wiederum, er sei nicht bereit, Bidens Plan, das Defizit durch Steuererhöhungen für Wohlhabende und die Schließung von Steuerschlupflöchern für die Öl- und Pharmaindustrie zu verringern, in Betracht zu ziehen.

Im Jahr 2011 hatte eine republikanische Mehrheit im Kongress eine Anhebung der Schuldengrenze hinausgezögert. Damals wurde die Kreditwürdigkeit der USA zum bisher einzigen Mal in der Geschichte herabgestuft.(wak/apa/reuters/dpa)