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Biden leiser Sieger im US-Schuldenstreit

Von Julian Mayr

Politik

Kompromiss zwischen Joe Biden und Kevin McCarthy überzeugt nicht alle. Beide kämpfen mit Kritik aus eigenen Reihen.


Es war eine Entscheidung in den letzten Minuten der Nachspielzeit. In wochenlangen Verhandlungen hatten US-Präsident Joe Biden und der republikanische Sprecher des Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy, auf einen Kompromiss hingearbeitet, der das Worst-Case-Szenario vermeiden sollte: den Zahlungsausfall der größten Volkswirtschaft der Welt.

Am Wochenende erzielten die Gegenspieler eine Einigung im Streit um die Aussetzung der Schuldenobergrenze. Ob das Vorhaben durch den Kongress gewunken würde, war trotz Optimismus der Verhandlungsführer bis zuletzt nicht gesichert. Am Mittwochabend schließlich billigte das US-Repräsentantenhaus den Gesetzentwurf. Ein entsprechendes Votum im Senat steht noch an.

Auf den ersten Blick gehen beide Teams, sowohl Demokraten als auch Republikaner, als Sieger vom Platz. Doch mit dem Ergebnis sind viele Politiker insbesondere an den linken und rechten Rändern der Parteien nicht zufrieden.

Zentral in der Einigung ist die zweijährige Aussetzung der Schuldenobergrenze, die derzeit bei 31,4 Billionen US-Dollar liegt. Dies würde es der Regierung in Washington ermöglichen, weiterhin Geld zu leihen, um Schulden zeitgerecht begleichen zu können. Andernfalls wären die USA am 5. Juni zahlungsunfähig, wie Finanzministerin Janet Yellen gewarnt hatte.

Im Gegenzug sollen die geplanten Ausgaben in den kommenden zwei Jahren deutlich beschränkt werden. Die Einschnitte seien jedoch weit weniger weitreichend, als es etwa 2011 der Fall war, als Barack Obama um die Gunst der Republikaner (GOP) warb und die USA noch mit den Nachwehen der Finanzkrise zu kämpfen hatten. Die wirtschaftliche Verfassung des Landes sei heute viel besser, weshalb es unwahrscheinlich sei, dass die Einigung die Entwicklung nachhaltig hemmen könnte, schreibt die "New York Times".

Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. 2025 müsste der Schuldenstreit erneut ausgefochten werden. Just im ersten Jahr der neuen Legislatur. Ob Joe Biden dann noch als Präsident am Verhandlungstisch sitzen wird, ist ungewiss.

Gespaltene Republikaner

Geht es nach Jennifer Rubin, so hat er zumindest im Streit der letzten Wochen ein geschicktes Händchen bewiesen. Die Kolumnistin der "Washington Post" sieht nicht nur in der Einigung selbst einen klugen Schritt des Präsidenten, sondern auch in der Art und Weise, wie diese zustande gekommen war. Indem McCarty in den Medien Raum gelassen und er als rationaler Verhandlungspartner dargestellt wurde, sei die Fiktion genährt worden, dass die GOP - entgegen der Realität - nicht von einer extrem rechten Fraktion kontrolliert würde, meint Rubin. Das hätte McCarthy geholfen, den Kompromiss zu verkaufen.

Das ganze Ausmaß der "Rücksichtslosigkeit der GOP", wie Rubin sie nennt, hingegen aufzudecken, hätte von den Demokraten erfordert, den von republikanischer Seite in Kauf genommenen Zahlungsausfall zuzulassen. Für die regierenden Demokraten keine Option. "Keine der beiden Seiten hat alles bekommen, was sie wollte", erklärte Biden im Nachklang der Abstimmung. Es handle sich um einen parteiübergreifenden Kompromiss.

Ein Kompromiss, der laut Rubin dazu beitrage, die Uneinigkeit auf Seite der Republikaner zu schüren. Tatsächlich erhielt der Gesetzentwurf 165 Stimmen von Demokraten, mehr als die 149 Stimmen der GOP. Etwa ein Drittel der Fraktion versagte McCarthy die Zustimmung. Die beachtliche Zahl an Abweichlern könnte ihm innerhalb der ohnehin zerrissenen Reihen künftig Diskussionen bescheren.

Zwar verkauft McCarthy die Einigung als Sieg. Allein, dass die Demokraten an den Verhandlungstisch gezerrt worden seien, nachdem Biden ein Aushandeln der Schuldenobergrenze lange ausschloss, sei bereits als Errungenschaft einzustufen. Schließlich konnte er Biden einige Zugeständnisse abringen. Budgets von Ministerien wurden angepasst, Kürzungen gibt es unter anderem für Forschung, Sozialprogramme und die Forstwirtschaft. Die von Demokraten geforderte stärkere Besteuerung von Reichen wurde abgewendet. Die Ausgaben könnten 2024 um 55 Milliarden US-Dollar gesenkt werden, rechnet die "New York Times" vor.

Gegenwind von links

Den Mitgliedern des rechten Flügels der im Parlament vertretenen Republikaner gehen die Einsparungen nicht weit genug. Einer der schärfsten Kritiker McCarthys, der Abgeordnete Dan Bishop, warf ihm Verrat am amerikanischen Volk vor. McCarthy selbst beteuert, die Einigung sei nur ein "erster Schritt , das Schiff zu wenden".

Nicht nur Vertreter der GOP brachten ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck. Auch die Rückendeckung für Biden aus den eigenen Reihen war nicht geschlossen, besonders jene im progressiven Flügel bröckelte. Zwar mahnten mehrere Demokraten in der Kongressdebatte, es gehe darum, das Land vor einem Desaster zu bewahren, das die Republikaner hinaufbeschworen hätten. "Meine rote Linie ist überschritten", sagte hingegen die New Yorker Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez. Sie war eine von 46 Demokraten, die gegen den Kompromiss stimmte. Linke Demokraten monierten vor allem die Kürzungen bei Sozialprogrammen.

Update 2.6., 5.30 Uhr:

Nach dem Repräsentantenhaus billigte am späten Donnerstagabend (Ortszeit) auch der Senat in Washington den Gesetzesentwurf. 63 von 100 Senatoren stimmten zu. Das US-Repräsentantenhaus hatte den Gesetzentwurf am Mittwochabend verabschiedet. Nach dem finalen Votum im Senat muss Präsident Biden das Gesetz nun noch unterzeichnen, um es in Kraft zu setzen. Das gilt jedoch als reine Formalie.