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Im Angesicht des nächsten Wirbelsturms

Von Klaus Huhold

Politik
Immer wieder kommt es in Beira und den umliegenden Regionen zu Überschwemmungen, müssen die Bewohner von vorne beginnen.
© Licht für die Welt / Mango Sound

Wie die NGO "Licht für die Welt" dafür sorgen will, dass Menschen mit Behinderung bei Unwetterkatastrophen nicht übersehen werden.


Der Sturm ist vorübergezogen, doch geblieben ist die Angst. Rund vier Jahre ist es her, dass der Wirbelsturm "Idai" die Stadt Beira in Mosambik und die umliegenden Regionen verwüstet hat. Dächer wurden weggerissen, ganze Häuser stürzten ein, manche Gegenden waren so überflutet, dass die Menschen sich zu retten versuchten, indem sie auf Bäume kletterten. Viele verließ aber die Kraft. Wie viele Todesopfer es gab, ist bis heute unklar, es waren hunderte, wenn nicht gar tausende.

Dass sich die Katastrophe wiederholt, "davor haben die Menschen große Angst", sagt Zacarias Zicai, der in Beira lebt. Denn die Bewohner der Stadt mit etwas mehr als 500.000 Einwohnern werden jedes Jahr daran erinnert, in welch gefährdeter Region sie leben. Immer wieder gibt es Unwetterwarnungen, wird die Stadt überflutet, streifen sie heftige Stürme, die Beira auch wieder einmal voll treffen können. "Doch die Menschen haben auch keine Möglichkeit, woanders hinzugehen", betont Zicai. Denn die meisten sind arm, und das wenige, das sie sich an Existenz aufgebaut haben, ist an Beira gebunden.

Zicai ist der örtliche Landesdirektor für die NGO "Licht für die Welt", die in Österreich ihren Hauptsitz hat und in Mosambik mit zahlreichen lokalen Organisationen zusammenarbeitet. Angesichts dessen, dass man in Beira mit sehendem Auge gegenüber der Katastrophe lebt, sei es vor allem wichtig, "dass die Bewohner Resilienz entwickeln", sagt Zicai.

Manche waren bei der Essensausgabe chancenlos

Dabei geht eines ins andere über: Wenn Menschen eine Arbeit haben und so zumindest ein geringes Einkommen, von dem sie sich ein wenig ansparen können, sind sie auch bei einer Naturkatastrophe besser gewappnet. "Dann haben sie zumindest ein paar Mittel für Reparaturen an ihren Häusern oder auch einen Neustart", sagt Zicai. "Licht für die Welt" führt zahlreiche Programme zur beruflichen Fortbildung oder auch zur Finanzierung von Kleinstunternehmen durch. Die Teilnehmer können sich dadurch eine Schneiderei oder eine kleine Hühnerfarm aufbauen.

Eine Gruppe hat "Licht für die Welt" bei all seinen Programmen besonders im Auge: Menschen mit Behinderungen. Gerade der Sturm "Idai" hat gezeigt, wie schnell diese in einer Notsituation übersehen werden. Denn die Katastrophenhilfe, in der schnell entschieden und viel improvisiert werden muss, hatte während "Idai" die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung kaum bedacht.

Das zeigte sich etwa bei den Nothilfezentren, die gleich nach dem Sturm errichtet wurden und mehrere tausend Bürger versorgten. Viele Menschen mit Behinderung erreichten diese nicht. Manche erfuhren nicht einmal davon, weil es etwa keine abgestimmten Informationen für Menschen mit kognitiven Behinderungen gab.

Und auch in den Zentren selbst waren Menschen mit Behinderung oft verloren. "Wenn Essen verteilt wurde, war das oft ein richtiger Kampf", berichtet Zicai. Man könne sich vorstellen, was das für Leute im Rollstuhl bedeutet habe. Oder auch die Latrinen waren überhaupt nicht auf diese Personengruppe abgestimmt.

"Licht für die Welt" versucht nun, Bewusstseinsbildung zu schaffen, damit sich diese Situation nicht wiederholt. Gemeinsam mit Unicef hat die Organisation noch einmal in einer Studie evaluiert, was Menschen mit Behinderung bei der Katastrophenhilfe gefehlt hat und wie das in Zukunft vermieden werden kann. "Die großen Organisationen haben in so einer Situation schon ihre fertigen Protokolle, nach denen sie handeln", sagt Klaus Minihuber, der als Monitoring- und Wissensmanager von "Licht für die Welt" die Wirkung von Programmen untersucht. "Entscheidend für uns ist nun, dass künftig darin schon von Anfang an Menschen mit Behinderung inkludiert werden."

Es braucht Ansprechpartner, Daten und Bewusstsein

Dafür brauchen die Akteure der Katstrophenhilfe aber Daten und Ansprechpartner. Sie müssen wissen, wie viele Menschen mit welchen Behinderungen es gibt, welche Bedürfnisse diese haben und wie sie mit ihnen Kontakt aufnehmen können.

Solche Daten erhebt "Licht für die Welt" seit "Idai" gemeinsamem mit lokalen Organisationen für Beira. Diese lokalen Partner sind dann auch Ansprechpartner im Katastrophenfall. Denn mit ihnen implementiert "Licht für die Welt" bereits Programme für Menschen mit Behinderungen.

Die örtlichen Organisationen bilden dabei "Inklusionsaktivisten", wie sie sich selbst nennen, aus, die wiederum eng mit den betroffenen Familien zusammenarbeiten. Sie sorgen etwa dafür, dass Menschen mit körperlichen Behinderungen Physiotherapie erhalten. Da es in Mosambik aber nicht genügend Physiotherapeuten gibt, müssen diese Aufgabe eben auch Familienmitglieder oder Nachbarn übernehmen, die entsprechend geschult werden.

Gleichzeitig stehen die örtlichen Organisationen in Kontakt mit den Behörden, wenn sie sich etwa um den Schulbesuch für Kinder oder Zugang zu Krankenhäusern kümmern. Deshalb können sie als Betroffene für Betroffene reden und im Katstrophenfall eine Brückenfunktion übernehmen, sagt Minihuber.

Schnelle Informationensind essenziell

Auch "Licht für die Welt" selbst steht mit Behörden und anderen humanitären Organisationen in Kontakt. "Das Wichtigste ist, dass ein Bewusstsein für die Anliegen von Menschen mit Behinderung herrscht", betont Zicai. Denn nur so werden vorhandene Konzepte im Ernstfall auch umgesetzt.

Man sollte etwa eine eigne Essensverteilung für Menschen mit Behinderung machen, sagt Zicai. Er betont zudem, dass es entscheidend ist, "dass die Betroffenen die relevanten Informationen rechtzeitig erhalten". Deshalb würden sich nun bei jeder Unwetterwarnung Selbsthilfegruppen treffen und beraten, damit sich auch Menschen mit Behinderung besser auf Naturdesaster vorbereiten können.

Diese sind immer nur einen Windstoß entfernt. Mosambik wird immer wieder von schweren Wirbelstürmen heimgesucht und Beira ist aufgrund seiner Lage unter dem Meeresspiegel besonders gefährdet, Verwüstungen zu erleben. Wenn es so weit kommt, wären nun aber die Konzepte vorhanden, damit auf Menschen mit Behinderung mehr Rücksicht genommen wird.