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Die Rebellen haben kein Geld mehr

Von Gerhard Lechner

Politik

Gaddafi-Konten noch immer eingefroren. | "Können Schulen nicht öffnen."


Wien. Mahmoud Jibril wählte drastische Worte: "Es ist doch einerlei, ob man im Bombenhagel oder an Hunger stirbt. Der Tod ist immer gleich", sagte der Chef des Exekutivrates der libyschen Rebellen. Der Politiker war am Donnerstag nach Wien gereist, um bei Österreichs Außenminister Michael Spindelegger um Hilfe für die Rebellenregierung in Bengasi zu werben.

Die Rebellen, militärisch seit einiger Zeit wieder auf dem Vormarsch, haben nämlich ein großes Problem: Es fehlt an allen Ecken und Enden an Geld. Zwar sicherte Spindelegger Jibril, der sich sehr für Österreichs Unterstützung bedankte, 20 Tonnen an Hilfsgütern zu. Nahrungsmittel, darunter vor allem Babynahrung, Medikamente und Chemikalien zur Wasseraufbereitung sollen bald über den Seeweg nach Libyen geschickt werden.

Doch das Hauptproblem, das fehlende Geld, kann damit nicht ausreichend gelöst werden. Die humanitären Hilfslieferungen, die seit Ausbruch der Kämpfe im zweistelligen Millionenbereich ins Land fließen, lindern zwar das unmittelbare Leid, helfen aber den Rebellen in Bengasi kaum, die von ihnen kontrollierten Gebiete zu regieren. So sind allein 140.000 öffentlich Bedienstete zu bezahlen, dazu kommen noch die Kämpfer selbst. "Wir haben kein Geld mehr", sagte Jibril. "Wir werden die Schulen nicht wieder öffnen können", skizzierte er die Probleme eines Landes, dessen Wirtschaft im Krieg gerade in Schlüsselbereichen zum Stillstand gekommen ist. So liegt die Ölförderung, früher die Haupteinnahmequelle des Landes, immer noch darnieder, und niemand kann sagen, wie lange es dauern wird, bis das Land wieder Öl exportieren wird können. Der Vertreter des Exekutivrats forderte einen raschen Zugang zu den eingefrorenen Geldern des Gaddafi-Regimes.

Gelder fließen nicht

Diese Gelder sind den Rebellen eigentlich vom Westen seit mehr als einem Monat in Aussicht gestellt, aber mit der Umsetzung hapert es. Bis dato ist noch kein Euro oder Dollar nach Bengasi geflossen. Beobachter verweisen darauf, dass es dafür wohl eines erneuten Beschlusses des UN-Sicherheitsrats bedürfte. Und dabei ist es - nach der herben Kritik Russlands an der sehr weit gehenden Auslegung der strittigen UN-Resolution 1973 durch die Nato - nur schwer vorstellbar, dass die Russen im Sicherheitsrat einer Freigabe der Gelder zustimmen. Außenamts-Sprecher Peter Launsky-Tieffenthal sieht im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" dennoch Chancen für eine Zustimmung Moskaus. Österreich werde sich jedenfalls für eine Freigabe der Gelder einsetzen - als Ausnahmeregelung im Rahmen der UN-Sanktionen. Der Vertreter des Außenministeriums verwies aber auch darauf, dass es oft schwierig ist, die Rechtmäßigkeit oder Unrechtmäßigkeit des im Gaddafi-Umfeld erworbenen Vermögens festzustellen. Um den Rebellen trotz dieses langwierigen Prozesses schnell helfen zu können, hatte Italiens Außenminister Franco Frattini vorgeschlagen, die eingefrorenen Gelder als Sicherheiten für Kredite an die Regierung in Bengasi zu nutzen. Dass die Regierung in Bengasi der Partner ist, "mit dem wir uns über ein Libyen von morgen unterhalten", daran ließ Spindelegger jedenfalls keinen Zweifel. Er bekräftigte erneut, dass Österreich den nationalen Übergangsrat als legitimen Vertreter des libyschen Volkes anerkennt.

Keine deutschen Waffen

Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen, der ebenfalls Wien besuchte, betonte am Donnerstag, dass die Nato beim Libyen-Einsatz ihr UN-Mandat bisher nicht überschritten habe. Es gebe auch keine Ausweitung der Militäroperation über die ursprünglichen Pläne hinaus. Rasmussen, der in Wien nicht mit Jibril, wohl aber mit Spindelegger zusammentraf, betonte, die Nato sei auch nicht in die umstrittenen französischen Waffenlieferungen an die libyschen Rebellen involviert. Unterdessen wurde bekannt, dass für den Libyen-Einsatz doch keine deutsche Munition verwendet wird: Die Nato hat sich für "das Angebot einer anderen Nation" entschieden.