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Islamisten lehnen Dürre-Hilfe ab

Von Klaus Huhold

Politik

Gotteskrieger lehnen alles aus dem Westen ab - auch Hilfsorganisationen. | Bürgerkrieg in Somalia verschärft Folgen der Dürre.


Mogadischu. Die Al-Shabaab-Miliz ist berüchtigt. Sie kontrolliert im Bürgerkriegsland Somalia weite Teile des Südens und hat ein islamistisches Schreckensregime errichtet: Ehebrecher werden gesteinigt, Dieben wird die Hand abgehackt. Und alles, was aus dem Westen kommt, wird abgelehnt - auch Hilfsorganisationen. Zunächst plünderten die Al-Shabaab-Kämpfer deren Konvois oder pressten Schutzgelder ab. Vor zwei Jahren hat dann die Miliz die humanitären Einsatzkräfte aus ihren Gebieten verbannt.

Doch angesichts der Hungerkatastrophe am Horn von Afrika schien es, dass die Al-Shabaab einlenkt. Jeder, der helfen will, sei willkommen, egal ob Moslem oder nicht, verkündete die Miliz Anfang Juli. Am Freitag aber machte sie einen Rückzieher. „Pure Propaganda” seien UN-Berichte über die Hungersnot, verkündete Al-Shabaab-Sprecher Ali Mohamud Rage gegenüber der BBC. Die Dürre sei nicht so schlimm wie dargestellt. Die verbannten Organisationen dürften weiterhin nicht in den Gebieten der Al-Shabaab operieren. Das betrifft auch das UN-Welternährungsprogramm (WFP).

Gescheiterter Staat

Dass eine Miliz wie die Al-Shabaab derart mächtig werden konnte, spiegelt die chaotische Situation in Somalia wider. Seit dem Sturz des Diktators Siad Barre 1991 hat das Land keine funktionierende Regierung mehr und befindet sich in einem permanenten Bürgerkrieg zwischen verschiedenen Clans, Kriegsherren und Milizen.

Im Moment gibt es zwar ein international anerkanntes Kabinett, das aber nur Teile der Hauptstadt Mogadischu beherrscht. Den Rest des Landes kontrollieren unterschiedliche bewaffnete Gruppen. Diese sind teilweise miteinander verbündet, teilweise verfeindet, die Fronten wechseln ständig. Die schlagkräftigste Miliz ist aber die Al-Shabaab, die Verbindungen zu Al-Kaida haben soll und der sich viele ausländische Jihadisten angeschlossen haben.

Somalia ist ein gescheiterter Staat. Die Hungersnot traf ein Land, dessen Infrastruktur zerstört ist, in dem schätzungsweise 1,5 Millionen Vertriebene umherirren, in dem der Großteil der Bevölkerung kaum ein Einkommen hat, während die Lebensmittelpreise steigen. All das hat die Folgen der Dürre verschärft.

Und auch dort, wo die Al-Shabaab nicht herrscht, ist es schwieriger, die Hilfsmaßnahmen zu koordinieren als in anderen Ländern. Denn im Gegensatz zu Somalia gibt es in Kenia und Äthiopien, wo ebenfalls Millionen Menschen von der Hungerkatastrophe betroffen sind, Zentralregierungen, mit denen die UNO und internationale Hilfsorganisationen zusammenarbeiten können.

UNO will trotzdem helfen

Zudem nimmt die Al-Shabaab die Hungeropfer in Geiselhaft. Selbst Flüchtlinge, die Richtung Kenia unterwegs sind, sollen die Gotteskrieger laut Zeugenberichten versuchen aufzuhalten.

Die UNO will sich der Miliz aber nicht beugen. Auch wenn es riskant sei, werde man versuchen, in die Regionen zurückzukehren, aus denen man wegbefohlen wurde, sagte WFP-Sprecher David Orr. Das WFP würde seine Lebensmittelhilfe über lokale Organisationen verteilen, betonte Orr zudem. Auch Beobachter spekulieren, dass es einheimischen Organisationen leichter fallen könnte, Zugang zu den von der Al-Shabaab kontrollierten Gebieten zu finden.

Ausgerechnet diese Regionen sollen von der Dürrekatastrophe besonders schlimm betroffen sein. Wer es schafft, der Miliz zu entkommen, landet zumeist in Mogadischu oder im kenianischen Flüchtlingslager Dadaab. Dort leben bereits mehr als 400.000 Menschen. Wenn die Flüchtlinge „in den Camps ankommen, sind sie oft schon dem Tode nah, nachdem sie viele Meilen unter der sengenden Sonne unterwegs waren, ohne Essen und Wasser”, berichtet der Mitarbeiter des Kinderhilfswerks Unicef Christopher Tidey. Die Rippen der Flüchtlinge stechen deutlich heraus, die Beine sind zu schwach, um noch einen Schritt weiterzugehen, und die mit Fliegen übersäten Augen wirken leer. „Es bricht einem wirklich das Herz, diese Kinder und ihre Familien zu sehen”, sagt Tidey. Al-Shabaab scheint das Elend der Menschen weniger zu kümmern.

Spenden für die Dürreopfer
Unicef: PSK 15 16 500 / BLZ. 60.000, Kennwort „Kinder Horn von Afrika”
Caritas: PSK 7.700 004 / BLZ 60.000 Kennwort: Augustsammlung