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Die lukrative Heimlichkeit der Landgrabber

Von Ronald Schönhuber

Politik

Äthiopien-Experte Ochalla über die große Einkaufstour fremder Agrarkonzerne in Afrika.


Wien. Die Hungerkrise in Ostafrika hat auch ein Problem ins Blickfeld gerückt, das in vielen Fällen gerne unter den Teppich gekehrt wird: Ausländische Firmen kaufen Ackerland in Afrika und verdrängen die einheimische Bevölkerung. Nyikaw Ochalla war früher für das äthiopische Außenministerium tätig und arbeitet heute für die "Anuak Survival Organisation". Seit Jahren beschäftigt er sich mit dem Thema Landgrabbing.

Wiener Zeitung:Wie schwerwiegend ist das Landgrabbing-Problem heute in Afrika?

Nyikaw Ochalla: Ich glaube, dass die Situation sehr besorgniserregend ist. In den vergangenen Jahren haben die Regierungen in Afrika enorme Mengen Land an ausländische Unternehmen verkauft oder verpachtet. Über die lokale Bevölkerung, die seit Generationen auf diesem Land gelebt hat, hat man sich dabei einfach hinweggesetzt.

Was sind die Folgen für die lokale Bevölkerung?

Land zählt zu den elementaren Bedürfnissen des Menschen. Wie leben auf dem Land, wir ernähren uns vom Land und wenn wir sterben, werden wir auf unserem Land begraben. Wer in traditionellen, auf Subsistenzwirtschaft basierenden Gesellschaften kein Land besitzt, besitzt überhaupt nichts. Wenn man Land an ausländische Inverstoren vergibt ohne den Nahrungsbedarf der einheimischen Bevölkerung zu berücksichtigen, verletzt man damit deren Menschenrecht auf Nahrung.

Von China weiß man mittlerweile, dass es gerne in Afrika investiert. Welche Länder sind noch auf Einkaufstour?

In Afrika haben auch viele europäische Firmen Land gekauft, um Biosprit zu produzieren. In Äthiopien züchten holländische Unternehmen Blumen für den Export. Einer der größten Landgrabber in Äthiopien ist aber ein indisches Unternehmen namens Karaturi, das sich in der Gambella-Region 300.000 Hektar (entspricht etwa der achtfachen Fläche Wiens, Anm.) an Farmland gesichert hat. Daneben zählen auch Unternehmen aus Saudi-Arabien zu den großen Fischen.

Wie viel Land wurde bisher in Äthiopien vergeben?

Ich schätze, das werden rund 2,6 Millionen Hektar sein. Weitere 1,3 Millionen Hektar warten aber bereits auf kaufkräftige Investoren.

Über diese Geschäfte sprechen aber weder Investoren noch Verkäufer gerne.

Die offiziellen Dokumente über die Landverkäufe gelangen fast nur dann an die Öffentlichkeit, wenn sie von Regierungsmitarbeitern heimlich veröffentlicht werden. Diese Dokumente umfassen aber zumeist nur wenige Seiten und sind sehr kryptisch gehalten. Auflagen für die ausländischen Firmen gibt es dabei so gut wie keine. Weil diese Verträge für die lokale Bevölkerung große Schäden bedeuten, will die Regierung sie auch nicht öffentlich machen. Und auf gar keinen Fall soll sich Landgrabbing zu einer politischen Debatte auswachsen, denn dadurch könnte der Ruf der Regierungen auch auf internationaler Ebene nachhaltig beschädigt werden.

Wem das Land gehört, steht ja oft nirgends geschrieben.

Dadurch wird die Situation nochmals komplexer. Die Frage des Landbesitzes wird in den einzelnen Regionen Äthiopiens unterschiedlich geregelt. Gemeinsam ist allen aber, dass es nie eine ordentliche Registrierung des Besitzes gab und der Staat letztlich für sich in Anspruch nimmt, dass ihm alles gehört. Die Menschen betrachten das Land, das sie seit Generationen bewirtschaften, aber als ihr Eigentum. Es ihnen wegzunehmen, ist falsch.

Aber gibt es in so großen Ländern nicht riesige Flächen ungenutzten Landes, das man gewinnbringend verkaufen könnte?

Die Regierungen versuchen den Eindruck zu vermitteln, dass das Land ungenutzt ist. Das ist falsch. Es sind Weidegründe oder Wälder, in denen die Menschen seit Jahrhunderten auf Nahrungssuche gehen.

Kann man dem Landgrabbing nicht auch positive Aspekte abgewinnen? Es werden Arbeitsplätze geschaffen und Straßen gebaut, mitunter versprechen die Investoren auch neue Schulen.

In Kenia ist das manchmal Bestandteil der Verträge, in Äthiopien gibt es sowas nicht. Und laut dem aktuellen Weltbankreport findet auch so gut wie niemand aus der lokalen Bevölkerung einen Job auf den ausländischen Farmen.