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Präsident kehrt heim - steht Jemen Rachefeldzug bevor?

Von Michael Schmölzer

Politik

Saleh war nach Attentat drei Monate in Saudi-Arabien. | Konflikt mit Opposition tritt in entscheidende Phase.


Sanaa. Es ist ein Schock für die Anhänger der Opposition, während Regime-Loyale lautstark in den Straßen der jemenitischen Hauptstadt Sanaa jubeln: Präsident Ali Abdullah Saleh, der das bitterarme Land seit 33 Jahren regiert, ist zurück. Drei Monate war er zur Behandlung in einem Krankenhaus in Saudi-Arabien - die Folgen eines missglückten Attentatsversuchs sind noch deutlich sichtbar. Saleh hat schwere Verbrennungen davongetragen, als er im Juni in seiner Residenz in Sanaa angegriffen worden war. Jetzt könnte er versuchen, offene Rechnungen zu begleichen und blutige Rache an seinen Widersachern üben.

Mit dem Entschluss, in seine Heimat zurückzukehren, gießt Saleh in jedem Fall Öl ins Feuer. Der Jemen steht am Rande eines Bürgerkriegs, jetzt ist davon auszugehen, dass sich die Situation weiter zuspitzt. In der vergangenen Woche forderten Kämpfe zwischen Saleh-Gegnern und Loyalen mehr als 100 Todesopfer. Soldaten des abtrünnigen Generals Ali Mohsen al-Ahmar, einem Halbbruder des Präsidenten, und Einheiten der Republikanischen Garde bekämpfen einander; dabei fielen nicht nur Soldaten, die meisten Todesopfer gab es unter den Demonstranten, die in Sanaa ein Protest-Camp errichtet haben und den Rücktritt Salehs fordern. Die vom Arabischen Frühling inspirierten Oppositionellen wurden von Scharfschützen, die im Sold des Regimes stehen, ins Visier genommen. Viele kamen durch die Granaten der Republikanischen Garden um. Unter Beschuss ist jenes Stadtviertel Sanaas geraten, wo die mächtigen Widersacher Salehs ihre Villen haben.

Freudenschüsse

Mit der Rückkehr des Präsidenten in den Jemen ist der Konflikt in seine entscheidende Phase getreten. Sollte Saleh, wie in der Vergangenheit, die Macht nicht abgeben wollen, ist ein langer und blutiger Bürgerkrieg wahrscheinlich. Die Rückkehr zum jetzigen Zeitpunkt sei ein klares Indiz dafür, dass Saleh den Konflikt gewaltsam lösen wolle, sagt der Politologe und Jemen-Experte Abdulghani al-Iryani. Der Präsident ist kein Zauderer, bereits im Bürgerkrieg 1994 ist er rigoros gegen seine Gegner vorgegangen. Am Freitag gaben Anhänger des Präsidenten eineinhalb Stunden lang Freudenschüsse in die Luft ab, sie sind jetzt so selbstbewusst wie schon lange nicht mehr. Augenzeugen berichten von einem Feuerwerk über Sanaa. "Saleh ist ein ehrenwerter und großer Mann", freut sich Akram al-Aghbari, Portier in Sanaa. "Er ist zurückgekommen, um die schreckliche Gewalt zu stoppen. Ohne ihn wird mit Gewalt geherrscht, mit ihm wird der Jemen wieder das, was er gewesen ist."

Andere sehen das nicht so. "Saleh hätte bleiben sollen, wo er war. Versteht er nicht, dass er das Land ruiniert?", meint ein Hotelangestellter. Die Anhänger der Opposition können ihre Überraschung über Salehs Rückkehr nicht verbergen. Viele hatten bereits gehofft, der verhasste Machthaber sei erledigt. Selbst hochrangige arabische Diplomaten, die in dem Konflikt vermitteln, haben mit einer Rückkehr nicht gerechnet.

Frieden im Gepäck?

Eine kleine Chance auf Frieden gibt es dennoch. Optimisten geben zu bedenken, dass Saudi-Arabien Saleh nicht außer Landes gelassen hätte, hätte er nicht eine Friedensperspektive mit im Gepäck. Die Machthaber in Riad fürchten, dass ein Bürgerkrieg im Jemen auf Saudi-Arabien übergreift. Saleh selbst gibt sich vorerst friedlich und rief die Konfliktparteien noch am Freitag in einer Aussendung zu einem Waffenstillstand auf.