Kairo.
58 Prozent können sich laut der Umfrage des "Informationszentrums für Entscheidungsfindung", welches der Übergangsregierung in Kairo untersteht, nicht vorstellen, einen Präsidenten zu wählen, der nicht Muslim wäre; dagegen wären 60 Prozent bereit, bei Parlamentswahlen für einen nichtmuslimischen Kandidaten zu votieren. 76 Prozent sind dafür, dass die Religionszugehörigkeit im Personalausweis vermerkt ist. 78 Prozent sehen keine Probleme im Verhältnis zwischen der muslimischen Mehrheitsbevölkerung und der rund zehnprozentigen christlich-koptischen Minderheit, die über Diskriminierung klagt.
Der Führer der Muslimbrüder, Mohammed Badie, hat betont, dass die Revolution allen Ägyptern und damit auch den Muslimbrüdern Freiheit gebracht habe. Ende Juli hatten in Kairo mehrere Hunderttausend Protestierende auf Initiative der Muslimbrüder gegen den regierenden Obersten Militärrat unter Feldmarschall Mohammed Hussein Tantawi demonstriert. Es war die bisher massivste Demonstration der Stärke des islamischen Lagers seit der Entmachtung von Präsident Hosni Mubarak im Februar. Die Teilnehmer riefen Parolen wie "Islamisch, wir wollen es islamisch!" und "Unsere Verfassung ist der Koran". Die Kundgebung auf dem Tahrir-Platz war ohne Zwischenfälle verlaufen. Die Muslimbruderschaft wird von einem Shura-Rat aus 122 Mitgliedern geleitet.
Die Muslimbruderschaft (arabisch: "Jamiat al-Ikhwan al-Muslimun"), die in zahlreichen islamischen Ländern Ableger hat, war 1928 von dem ägyptischen Lehrer Hassan al-Banna gegründet worden. Sie folgt der Devise: "Gott ist unser Ziel, der Koran unsere Verfassung". 1954 war die Muslimbruderschaft vom ägyptischen Revolutionsregime unter Gamal Abdel Nasser verboten worden, zahlreiche ihrer Führer wurden zum Tode verurteilt, danach wurde sie vorübergehend wieder legalisiert.
Nach der Ermordung des Präsidenten Anwar al-Sadat 1981 ging dessen Nachfolger Mubarak mit aller Härte gegen islamistische Gruppen vor. Bei den Parlamentswahlen 2005 hatte die Muslimbruderschaft nominell unabhängige Kandidaten antreten lassen und sich mit ihnen rund 20 Prozent der Stimmen geholt. Nach Mubaraks Sturz ließen sich die Muslimbrüder als Partei registrieren.
Die Übergangsregierung hat am Sonntag mehrere Änderungen am Entwurf des Wahlgesetzes vorgenommen. Das Abgeordnetenhaus mit 498 Mitgliedern soll demnach im November zu zwei Dritteln nach dem Proporzsystem, zu einem Drittel nach dem Mehrheitswahlrecht gewählt werden. Nach Angaben des Regierungssprechers Mohammed al-Hegazi soll sich der Militärrat demnächst mit dem Gesetzestext befassen.