Zum Hauptinhalt springen

Indios gegen Indio-Präsidenten

Von Alexander U. Mathé

Politik

Streit um Amazonas-Autobahn. | Morales glaubt an US-Verschwörung.


La Paz/Wien. Als Verteidiger der Indigenen und Umweltapostel hat es Evo Morales 2006 zum bolivianischen Präsidenten gebracht. Er war somit der erste Indio überhaupt in diesem Amt. Doch nun ist er dabei, sich selbst zu entzaubern. Am Wochenende ging die Polizei mit Tränengas und Schlagstöcken gegen 1500 demonstrierende Indios vor. Ein Bub soll unbestätigten Meldungen zufolge dabei ums Leben gekommen sein, zehn Personen wurden verletzt. Der Protest richtete sich gegen den Bau einer Schnellstraße, die durch den eine Million Hektar großen Nationalpark Isiboro Secure mitten im Amazonas gehen soll, in dem etwa 50.000 Indios - Moxenos, Yurakares und Chimanes - leben.

Die Straße werde Bolivien - und vor allem der betroffenen Region - zu wirtschaftlicher Blüte verhelfen, ist sich Morales sicher. Primär hat aber Brasilien ein ausgeprägtes Interesse daran, einen Korridor zwischen dem Atlantischen und Pazifischen Ozean zu bauen, über den es seine Exportgüter befördern kann. Daher wird das Projekt auch von Brasilien finanziert. Das fördert nicht zuletzt die Anbindung an die asiatischen Märkte, zumal den chinesischen. Die Indigenen fürchten hingegen, dass ihr Lebensraum zerstört wird. Damit wird das Image des Präsidenten ins Gegenteil verkehrt: Nicht nur habe er Indios und Umwelt verraten, sondern er steht auch noch im Verdacht, den Interessen der Großkonzerne zu dienen, die er zu bekämpfen versprochen hatte. Dass Verteidigungsministerin Cecilia Chacón umgehend ihren Rücktritt eingereicht hat, weil sie das Auftreten der Regierung als untragbar empfindet, ist ein weiterer Fleck auf Morales’ Weste.

Im Hintergrund der Konfrontationen schwelt auch ein Kampf unter den Indios selbst. Die Ketschua und Aimara (zu denen der Präsident gehört) leben vorwiegend im Süden und Westen des Landes. Die Amazonas-Indios hingegen im Norden und Osten. Sie werden nicht erst seit heute als Indigene zweiter Klasse behandelt. So sorgte der indigene Chef des bolivianischen Bauernbundes, Roberto Coraite, für Unmut und Aufregung, weil er vor wenigen Tagen erklärte hatte, dass die Autobahn notwendig sei, damit die Indios im Amazonas "nicht mehr wie die Wilden leben". Die wiederum gehen davon aus, dass mit dem Straßenbau auch großflächige Rodungen einhergehen werden, die Ackerland für Kokabauern schaffen sollen, die - wenig überraschend - überwiegend Ketschua und Aimara sind.

Mittlerweile ist Morales zurückgerudert und hat einen vorläufigen Baustopp verhängt. Im Fernsehen sagte er, der Polizeieinsatz sei "unentschuldbar" gewesen und hat die Bildung eines Untersuchungsausschusses beantragt, der den Gewaltexzess gegenüber den "indigenen Brüdern" nahe des Dorfes Yucumo beleuchten soll, das gut 300 Kilometer nordöstlich von La Paz liegt.

Die eigentlichen Schuldigen hat Morales aber längst identifiziert: Der Protestmarsch sei von der US-Botschaft und der rechten Oligarchie des Tieflandes gesteuert sowie finanziert, ist sich der Präsident sicher.