Zum Hauptinhalt springen

"Es war klug, sich begrenzt zu engagieren"

Von Gerhard Lechner

Politik

Bundesheer-Oberst im Gespräch über Österreichs Afghanistan-Einsatz 2002-03.


Wien. Im Jahr 2002 und 2003 wurden im Rahmen der International Security Assistance Force (Isaf) auch insgesamt rund 170 österreichische Offiziere, Unteroffiziere und Chargen nach Afghanistan entsandt. Die "Wiener Zeitung" hat mit einem der Kommandanten des damaligen Einsatzes am Hindukusch, der im August 2003 beendet wurde, gesprochen.

"Wiener Zeitung":Herr Horak, was waren damals die Aufgaben der österreichischen Soldaten?Roman Horak: Den Kern unseres Kontingents bildete damals ein Zug von etwa 50 Infanteristen. Uns wurde ein Stadtbezirk von Kabul zugewiesen, der neunte Bezirk, wo wir die örtliche Polizei bei ihrer Arbeit unterstützten und beim Wiederaufbau der örtlichen Behörden halfen. Dabei ging es darum, im Straßenbild Präsenz zu zeigen, und um den Schutz sensibler Objekte. Außerdem waren österreichische Spezialisten - etwa für die Aufbereitung von Trinkwasser - vor Ort.

Wie ist der Einsatz verlaufen?

Ich denke, wir hatten damals wirklich Erfolg. Es zeigten sich rasch positive Effekte. Im Jänner 2002, als wir nach Afghanistan gekommen waren, wagten es noch die wenigsten, in der Nacht auf die Straße zu gehen. Man fürchtete Überfälle, die staatlichen Strukturen waren schließlich nicht gefestigt. Mit unserer Hilfe konnten in dem Stadtteil beispielsweise viele Märkte wieder aufsperren, konnte sich wieder ein normales städtisches Leben entwickeln.

Anschläge gab es damals noch keine?

Doch - natürlich nicht in der Größenordnung wie später, aber erste Anschläge gab es bereits mit dem Ziel, die Isaf einzuschüchtern. Das lag wohl daran, dass jene Clans, die von dem Chaos profitiert hatten - die allgemeine Kriminalität war ja damals das Hauptproblem -, kein Interesse daran hatten, dass sich staatliche Strukturen etablieren. Indem wir die Behörden unterstützten, haben wie diese Leute bei ihrer "Arbeit" gestört. Insofern mussten wir auch damals schon unseren Eigenschutz erhöhen. Aber: Es ist kein Österreicher zu Schaden gekommen, und wir haben doch erhebliches geleistet.

Wie funktionierte die Zusammenarbeit mit den afghanischen Stellen? Gab es da nicht auch Probleme?

Ja, doch. Unsere Unterstützung wurde manchmal als Signal missinterpretiert, sich zurücklehnen zu können, beispielsweise bei Patrouillen. Da blieben die Polizisten dann gerne in der Wachstube, statt auf die Straße zu gehen, nach dem Motto: "Das machen jetzt ohnehin die Österreicher". Außerdem finanzieren sich afghanische Polizisten gewissermaßen selbst, die werden nicht vom Staat bezahlt. Diese tief eingewurzelten Strukturen zu ändern, ist unmöglich und wohl auch nicht sinnvoll. Es gibt auch ethnische Gräben: Da wird von Polizisten ein tadschikischer Lkw kontrolliert, ein paschtunischer nicht.

Was hat der Westen falsch gemacht?

Schwer zu sagen. Aber es war in jedem Fall klug von Österreich, sich begrenzt zu engagieren. Man muss den richtigen Moment erkennen, die Verantwortung zu übergeben. Außerdem ist es vergleichsweise leicht, einen Bezirk in Kabul zu kontrollieren. Dieses so komplexe Land mit all seiner Menge an Konflikten auch nur zu verstehen, ist dagegen eine Herkulesaufgabe. Ich glaube, da hat man Fehler gemacht: Der Westen hat etwa die Wahlen in Afghanistan 2003 mit viel Aufwand unterstützt - dabei wurde in der afghanischen Tradition nie mit Stimmzetteln gewählt, man hat sich in den Dörfern zusammengesetzt, um zu wählen.

Zur Person

Roman Horak

(47) ist Oberst des Bundesheeres und kommandierte von Jänner bis Mai 2002 ein Kontingent des Heeres in Afghanistan.