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"Ich tippe darauf, dass die Demokraten den Senat verlieren"

Von Alexander U. Mathé

Politik

US-Experte analysiert im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" den Wahlkampf.


"Wiener Zeitung":Unter den Republikanern scheint niemand so recht mit den Präsidentschaftskandidaten zufrieden zu sein. Wo liegt das Problem?Ronald J. Hrebenar: Darin, dass viele starke Kandidaten wie Jeb Bush oder Chris Christie gar nicht erst angetreten sind. Von denen, die angetreten sind, ist Mitt Romney die Nummer 1. Aber während er der klare Favorit der Wall Street, von Geschäftsleuten und dem republikanischen Establishment ist, mögen ihn der religiöse Teil der Republikaner und der Tea Party nicht.

Ronald J. Hrebenar ist Professor an der Universität Utah und war dort langjähriger Vorstand des Instituts für Politikwissenschaften.

Warum?

Sie mögen ihn nicht, eben weil er ein Wall-Street-Typ ist, weil er ein Multimillionär ist und weil er Mormone ist. Sie halten ihn für uninteressant, wenig aufregend und nicht charismatisch. Dieser Teil der Partei macht immerhin ungefähr die Hälfte der republikanischen Aktivisten aus, die zu den Vorwahlen gehen. Die denken sich: "Da muss es doch noch einen anderen geben." Aber das Problem ist das Timing. Wir sind nur wenige Wochen von der ersten Vorwahl im Jänner entfernt. Dahinter steckt Geld und Unterschriften sammeln. Das heißt, wir stecken fest, denn Romney hat all das Geld und die Organisation. Deshalb sind sie verzweifelt.

Wer käme denn sonst in Frage?

Kurzfristig haben sie geglaubt, dass es Michele Bachmann sein kann, bis sie draufgekommen sind, dass sie eine sehr seltsame Frau ist, mit nur ein paar Jahren politischer Erfahrung auf regionaler Ebene. Dann kam die Begeisterung für Rick Perry. Der ist sehr religiös, aber auch sehr rau und fällt durch dumme Äußerungen auf, also wollten sie den auch nicht. Dann kam der Boom für Herman Cain. Jetzt gerade steht Newt Gingrich hoch im Kurs.

Zu Recht?

In der rationalen Welt hätte er nicht die geringste Chance: ein gescheiterter Politiker, der drei Frauen hatte, selbst Affären hatte, während er Ex-Präsident Bill Clinton wegen der seinigen zerstören wollte, ein bekannter Lobbyist, der weder wirklich Kampagnengeld noch ein Wahlkampfteam hat. Die Romney-Gegener sind aber dermaßen verzweifelt, dass er jetzt seine 15 Minuten als Spitzenreiter hat.

Glauben Sie, dass "Occupy Wall Street" eine Rolle spielen wird?

Schwer zu sagen. Das Problem ist, dass sie keine klare Aussage haben. Die einen sind gegen Atomkraft, die anderen gegen Banker. Sie sagen, sie sind wütend - aber wütend weshalb und was soll der Staat tun? Die Tea Party hingegen hat eine klare Aussage: Sie will die Staatsmacht reduzieren und die republikanische Partei reinigen. "Occupy Wall Street" zielt nicht auf die demokratische Partei ab.

Viele Abgeordnete haben bisher versucht, sich von Obama zu distanzieren. Wird das überhaupt möglich sein, während des Präsidentschaftswahlkampfs als Demokrat gegen Obama aufzutreten?

Die demokratischen Kandidaten haben nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie konzentrieren sich auf einen sehr regionalen Wahlkampf, der sich dann beispielsweise nur mit Themen aus North Dakota oder Utah befasst, und hoffen, dass sie damit überleben. Oder sie hängen sich an Obama dran und machen eine nationalen Kampagne in der sie sagen: "Wenn ihr das Land retten wollt, müsst ihr Obama und den Kongress demokratisch wählen." Aber im Gegensatz zu den Republikanern ist diese landesweite Organisation nichts für die Demokraten.

Wie schätzen Sie die Folgen ein?

Die Republikaner halten das Repräsentantenhaus und werden es wohl auch verteidigen können. Das größere Problem für die Demokraten ist der Senat. Dort müssen sie doppelt so viele Sitze wie die Republikaner verteidigen. Die Leute sind aber wütend auf den Kongress. Daher ist mein Tipp, dass die Demokraten den Senat verlieren werden. Sie werden wahrscheinlich bis zu sieben Sitze im Senat verlieren, wodurch die Republikaner den Senat kontrollieren würden.