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Die Plünderung als Staatsprinzip

Von Klaus Huhold

Politik

Trotz Rohstoffen und internationaler Hilfe ist der Kongo ein gescheiterter Staat.


Kinshasa. Zoe Kabila ist es gewohnt, dass er überall im Kongo Vorfahrt hat. Einmal wagten es aber zwei Verkehrspolizisten in der Hauptstadt Kinshasa, ihm diese zu verweigern. Daraufhin hetzte Zoe Kabila laut Zeugenberichten Soldaten der Republikanischen Garde, die ihn eskortierten, auf die zwei Beamten, die Polizisten wurden brutal verprügelt. Zoe Kabila ist der Bruder von Präsident Joseph Kabila, der sich am Montag zur Wiederwahl stellt.

Die Episode illustriert, wie eine kleine Elite im Kongo außerhalb des Gesetzes steht. Es sind dies Leute, die eng mit den Machthabern verwoben sind und von schummrigen Geschäften in dem Land, das Diamanten, Gold oder das für die Handyproduktion unerlässliche Coltan besitzt, profitieren. Diese Oberschicht bildet einen starken Kontrast zum Großteil der Bevölkerung, der arm ist und jeden Tag ums Überleben kämpfen muss.

Aber auch die Armen stehen außerhalb des Gesetzes, nur auf der anderen Seite als die Elite. Sie sind der Willkür von Polizisten und Beamten ausgeliefert, die für jede noch so kleine Dienstleistung Schmiergeld erwarten. In den mit Rohstoffen übersäten Kivu-Provinzen im Osten des Kongos, wo Kriegszustände herrschen und Vergewaltigungen an der Tagesordnung sind, fürchtet die Bevölkerung nicht nur die aufständischen Milizen, sondern auch die Regierungssoldaten: Deren Sold verschwindet oft in dunklen Kanälen, sie holen sich durch Plünderungen, was sie begehren.

Staatschef Joseph Kabila hat also wenig an den von Willkür geprägten Zuständen in seinem Land geändert. Er erbte das Präsidentenamt von seinem Vater Laurent-Desire Kabila, der 2001 von einem Leibwächter getötet worden war. Im Kongo herrschte damals gerade ein Krieg, in den fast sämtliche Nachbarstaaten, die alle ein Auge auf die Rohstoff des Landes geworfen hatten, verstrickt waren. Nachdem der Krieg 2003 offiziell beendet war, machte sich die internationale Gemeinschaft an den Wiederaufbau des Staates. 2006 wurden Wahlen organisiert, die als fair eingestuft wurden und die Kabila gewann.

Er versprach damals, die Armut zu bekämpfen. Doch die Entwicklungsprogramme "stellen für die Leute nur noch politische Slogans dar", sagt der für das belgische "Royal Museum for Central Africa" tätige Politanalyst Theodore Trefon, der sich schon mehr als 25 Jahre intensiv mit dem Kongo beschäftigt.

Dubiose Geschäfte

Kabila und seine Entourage widmeten sich vielmehr dubiosen Geschäften. Wie diese ablaufen, hat kürzlich der britische Parlamentarier Eric Joyce dokumentiert. Minen im Staatsbesitz wurden weit unter ihrem Marktwert durch auf den Virgin Islands registrierte Firmen erworben, die sie dann wiederum an internationale Konzerne weiterverkauften. Wer genau hinter diesen Deals steckt, ist nicht genau bekannt, "im Kongo gibt es eine Kultur der Intransparenz und der Geheimniskrämerei", sagt Trefon. Hochrangigen kongolesischen Politikern und dubiosen internationalen Geschäftsleuten werden diese Deals nicht schaden, der Bevölkerung gingen dadurch etwa 5,5 Milliarden Dollar verloren.

Trotzdem wird Kabila aller Voraussicht nach die Wahl gewinnen. Ein Grund dafür ist eben gerade, dass der Präsident einfach viel mehr Geld hat als die anderen Kandidaten. Es braucht ein großes Vermögen, um in dem Land mit der Fläche Westeuropas einen Wahlkampf zu organisieren. Zudem begünstigt eine kürzlich beschlossene Verfassungsänderung Kabila: Zukünftig reicht eine relative Mehrheit im ersten Wahlgang für den Sieg. Aber auch die gespaltene Opposition spielt Kabila in die Hände: Ex-Premier Etienne Tshisekedi und der frühere Parlamentspräsident Vital Kamerhe, die zwei prominentesten Herausforderer Kabilas, schnappen sich lieber gegenseitig die Stimmen weg, anstatt gemeinsam gegen den Amtsinhaber ins Feld zu ziehen. Und noch acht weitere Kandidaten streiten um Stimmen.

"Aber auch die internationale Gemeinschaft hat Interesse an einem Wahlsieg Kabilas", betont Trefon gegenüber der "Wiener Zeitung". Frei nach dem Motto: Es ist besser, mit dem Teufel zusammenzuarbeiten, den man schon kennt. Eine ganze Reihe internationaler Akteure mischt kräftig im Kongo mit. In finanziellen Belangen ist es die Weltbank, bei der Sicherheit eine im Land stationierte UN-Friedenstruppe, bei der Gesundheit die Weltgesundheitsorganisation. Von der ehemaligen Kolonialmacht Belgien bis zu den USA beteiligen sich verschiedenste Länder mit ihren Agenturen am Aufbau des Landes. Wichtigster wirtschaftlicher Partner ist mittlerweile China. Und weitere aufstrebende Länder wie Indien und Brasilien drängen ins Land.

"Die Regierung von Kabila ist sehr geschickt, die Unterstützung von internationalen Partnern zu streuen", analysiert Trefon. Gleichzeitig sei der Kongo aber ein Land mit eingeschränkter Souveränität.

Leute helfen sich selbst

Dass die Entwicklung des Kongo nicht vorankommt, ist daher eine geteilte Verantwortung, meint der Autor des jüngst veröffentlichten Buches "Congo Masquerade", das sich genau mit diesem Thema beschäftigt. "Die kongolesischen Machthaber haben kein Interesse am Wandel, und die internationalen Partner haben nicht die Komplexität der politischen und wirtschaftlichen Situation bewältigt." So gebe es keinen Masterplan für den Kongo, die einzelnen Maßnahmen seien unkoordiniert. Zudem würden Bemühungen fehlen, einheimische Beamte bei der Reform des Staates hinzuziehen.

"Aber auch wenn der Kongo ein gescheiterter Staat ist, trifft das nicht auf seine Gesellschaft zu", sagt Trefon. Diese sei dynamisch und kreativ und wüsste sich immer wieder selbst zu helfen. Da die Regierung in vielen Gegenden keine Schulen zur Verfügung stellt, würden die Leute diese selbst gründen und auch die Lehrer bezahlen. Oder weil Banken nicht vorhanden sind, schaffen kleine Gruppen einfach ihr eigenes Kreditsystem. "Um das Land aufzubauen, muss genau in diese Basisorganisationen mehr investiert werden", betont Trefon. "Ihnen sollte zugehört werden, um zu lernen, wie sich die Leute ihren Alltag selbst organisieren."

Dass der Ausgang der Wahl diesen Alltag beeinflussen wird, bezweifeln viele Kongolesen. Sie glauben nicht daran, dass sich etwas daran ändern wird, wie der Reichtum des Landes zukünftig verteilt wird.