Seoul. Flüge fürchtete er, deshalb fuhr er lieber mit der Eisenbahn. Ausgerechnet in diesem Verkehrsmittel starb Nordkoreas Staatschef Kim Jong-il: Der 69-Jährige sei am Samstag während einer Inspektionsreise mit dem Zug infolge Ermüdung einem Herzinfarkt erlegen, berichtete am Montag das Staatsfernsehen in Pjöngjang. Der Diktator, der 1994 seinen Vater, Staatsgründer Kim il-sung, beerbt hatte, war nach offiziellen Angaben 69 Jahre alt.
In Berichten der amtlichen Nachrichtenagentur KCNA wurde Kim jong-ils jüngster Sohn Kim Jong-un bereits als "großer Nachfolger" seines Vaters bezeichnet. Er wurde mit dem Vorsitz des nationalen Trauerkomitees betraut, was darauf hindeutet, dass ihm die politischen Funktionen seines Vaters als Partei- und Armeechef zufallen werden. Die Beisetzungsfeierlichkeiten sollen am 28. Dezember stattfinden.
Die Staatsmedien berichteten von Szenen "unbeschreiblicher Trauer", das Fernsehen in Pjöngjang zeigte Mitglieder der regierenden kommunistischen Partei, die schluchzten, schrien und auf Tische schlugen. Bei der Bekanntgabe des Todes vom Kim Jong-ils Ableben hatte die Nachrichtensprecherin Tränen in den Augen. Anschließend zeigte das Fernsehen stundenlang Aufnahmen des Machthabers bei Besuchen von Fabriken und Schulen.
Kim Jong-il bekleidete die Ämter des Generalsekretärs der Partei und Vorsitzender des Nationalen Verteidigungsrates (und damit Oberbefehlshabers der Streitkräfte). Das Amt des Präsidenten der Koreanischen Demokratischen Volksrepublik war seinem Vater Kim Il-sung ("Ewiger Präsident") vorbehalten. Im vergangenen Jahr hatte Kim Jong-il seinen Sohn Jong-un, der noch keine 30 Jahre alt sein soll, zum Vier-Sterne-General erhoben und ihn in die Führungsriege aufgenommen. Kim Jong-ils Schwager Chang Sung-taek war zum stellvertretenden Vorsitzenden des Verteidigungsrates aufgerückt. Ihm und seiner Frau, Kim Jong-ils Schwester Kim Kyong-hui, sowie Generalstabschef Ri Yong-ho fällt nach Spekulationen westlicher Geheimdienste eine Schlüsselrolle bei der Machtinstallierung des Neffen zu.
Der Machtwechsel ist nach Erkenntnissen südkoreanischer Experten "perfekt organisiert" worden. Baek Seung-joo vom Seouler Institut für militärische Analysen erklärte, Kim Jong-un werde in absehbarer Zeit keine drastische Kursänderung vornehmen und eine strategische Allianz mit der Armee suchen. Das schließe aber nicht langfristig aus, dass es zu Machtkämpfen kommen könnte. Paik Hak-soon vom Sejong-Institut, einem renommierten Think Tank in Seoul, sagte: "Die Ära Kim Jong-un hat bereits begonnen", die Nomenklatura stehe hinter dem neuen Machthaber.