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Nordkorea: Brutalität hält System aufrecht

Von Klaus Huhold

Politik

Berichte von politischen Säuberungen nach dem Tod von Kim Jong-il.


Pjöngjang/Seoul. Noch einmal brachte der Diktatorensprössling seinem verstorbenen Vater eine Respektbezeugung dar: Mit einer tiefen Verbeugung stand der in Nordkorea als "Großer Nachfolger" gepriesene Kim Jong-un vor dem Sarg des verstorbenen Staatschefs Kim Jong-il, wie Bilder aus dem Land am Dienstag zeigten. Umrankt von Blumen wird der Leichnam von Kim Jong-il derzeit in einem Mausoleum in der Hauptstadt Pjöngjang aufgebahrt. Bei Menschenrechtsaktivisten hatte der Diktator freilich weniger Ansehen. "Kim Jong-il wird als brutaler Aufseher massiver und systematischer Unterdrückung in Erinnerung bleiben", betonte der Direktor von Human Rights Watch, Kenneth Roth. Er appellierte an die internationale Gemeinschaft, die Zeit des Übergangs nun zu nutzen, um die Führung in Pjöngjang in eine humanere Richtung zu lenken.

Die meisten Experten bezweifeln aber, dass man von außen starken Einfluss auf das abgeschottete Land nehmen könnte. Und mit Kim Jong-il wird wohl nicht der brutale Repressionsapparat, auf den sich die Machthaber seit Jahrzehnten stützen, begraben werden. Das nordkoreanische System basiert auf Propaganda, politische Säuberungen, Sippenhaftung und Straflagern.

Dass sich daran nichts ändern wird, darauf deuten erste Nachrichten aus dem Innersten des Landes hin. Amnesty International hat nach eigenen Angaben Hinweise, dass hunderte Beamte hingerichtet oder in Straflager verbannt worden seien, weil sie eine Bedrohung für die Nachfolge durch Kim Jong-un darstellten.

Dies zeigt, dass sich niemand in Nordkorea sicher fühlen kann. Das Land wird zwar von einer kleinen Elite regiert, doch auch innerhalb dieser finden immer wieder Säuberungen statt. Schon vor drei Jahren soll es zu Hinrichtungen wegen missglückter Wirtschaftsreformen gekommen sein.

Von denjenigen, die in Ungnade fallen, wird die ganze Familie mitgerissen. In dem Land herrscht Sippenhaftung, berichten Überläufer. Diese geht demnach so weit, dass die Herkunft darüber entscheidet, wer wo wohnen darf. In Pjöngjang leben treue Parteigänger. Nachfahren von verurteilten Staatsfeinden, aber auch als religiös bekannte Familien werden in unwegsamen ländlichen Gebieten angesiedelt - und sind dadurch auch von den ständig wiederkehrenden Hungersnöten viel stärker betroffen.

Hunger und Zwangsarbeit

Der äußerste Posten der Repression sind aber die Straflager, in denen nach Schätzungen von Menschenrechtlern etwa 200.000 Menschen einsitzen. Wie es dort zugeht, darüber berichten nordkoreanische Flüchtlinge: Die Gefangenen sind zur Zwangsarbeit versklavt und dürfen dabei weder reden noch lachen. Wer von den unterernährten Häftlingen sein Arbeitspensum nicht schafft, wird in enge Zellen gesperrt, in denen man sich weder hinlegen noch aufrichten kann. Viele verlassen diese Zellen verkrüppelt. Ständig kommt es zu Exekutionen.

Der brutale Repressionsapparat hat offenbar bisher verhindert, dass Opposition in dem Land aufkommt. Veränderungen in Nordkorea sind daher laut Beobachtern höchstens durch interne Machtkämpfe zu erwarten. Ob es zu diesen nun nach dem Tod Kim Jong-ils kommen wird, wird sich aber wohl erst in den nächsten Wochen weisen: Zurzeit werden mögliche Ränkespiele von der Staatstrauer überschattet.