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Oberste Richter drohen Premier

Von WZ-Korrespondentin Agnes Tandler

Politik

Militär wartet ab und hält sich vorerst im Hintergrund.


Islamabad. Es wird eng für Pakistans Regierung: Die obersten Richter des Landes haben Stellung gegen Premierminister Yusuf Raza Gillani bezogen und sich damit auf die Seite von Pakistans mächtigem Militär geschlagen. Das höchste Gericht mahnte Gillani wegen Nichterfüllung seiner Weisung ab und bestellte den Regierungschef persönlich für den 19. Januar ein. Gillani sicherte sein Erscheinen zu. Gerüchte, wonach der Premier seinen Rücktritt angeboten hat, wurden in Islamabad hingegen dementiert.

Die Obersten Juristen hatten von Gillani verlangt, alte Strafverfahren gegen wichtige Politiker - unter anderem auch gegen Präsident Asif Ali Zardari - wieder aufzurollen. Der Richterspruch verschärft die politische Krise im Nuklearwaffenstaat. Falls das Oberste Gericht ein Verfahren gegen Gillani eröffnet, dürften die Tage seiner Regierung gezählt sein. Ohnehin sollen sich Regierung und Opposition auf vorgezogene Neuwahlen geeinigt haben. Einen konkreten Termin gibt es jedoch nicht.

Pakistans Regierung wird gleich von zwei Seiten von den Juristen in die Zange genommen: Zum einen verlangt das Oberste Gericht die Wiedereröffnung alter Strafverfahren wegen Korruption, zum anderen muss sich die Regierung wegen eines mysteriösen Memorandums vor den Richtern verantworten. Beide Verfahren könnten den Premierminister stürzen. Im "Memogate"-Skandal untersuchen die Juristen, ob die Regierung nach dem Tode von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden in Pakistan Washington um Hilfe angerufen hat, um einen Militärputsch zu verhindern. Pakistans Botschafter in den USA, Husain Haqqani, musste wegen dieser Vorwürfe bereits zurücktreten. Er gilt als enger Freund von Präsident Zardari. Auf Bitten von Pakistans Geheimdienst ISI soll das Oberste Gericht nun aufklären, was es mit dem geheimen Memorandum auf sich hat.

Armee gegen Regierung

Seit Wochen brodelt die Gerüchteküche in dem islamischen Land - angefeuert von dubiosen Enthüllungen, Entlassungen, Rücktritten und Intrigen. Inzwischen wird das Gefecht zwischen der zivilen Regierung und der Armee öffentlich ausgetragen. Mit von der Partie ist der Oberste Gerichtshof, der die Position der Streitkräfte stützt.

Pakistans Militär regierte das Land mehr als die Hälfte seiner Existenz über und hat auch sonst stets das letzte Wort bei wichtigen politischen Entscheidungen gehabt.

Doch diesmal spricht einiges dafür, dass die Armee nicht selbst wieder an die Macht will, sondern lieber im Hintergrund wirken möchte. Denn frühere Militärcoups in Pakistan wurden mit weit mehr Entschlossenheit geführt. Die berüchtigte Infanterie-Brigade 111, die bisher bei jedem Putsch vorgeschickt wurde, macht keine Anstalten, vor der Haustür des Premierministers zu erscheinen. Und auch die Warnung von Armeechef Ashfaq Kayani an die Regierung, nachdem diese den Verteidigungsminister entlassen hatte, blieb ohne konkrete Folgen. Ein solcher Akt des Aufbegehrens gegen das Militär wäre sonst umgehend mit der Absetzung der Regierung geahndet worden. Der Armeechef wäre zu früher Stunde im Staatsfernsehen erschienen, um der Nation mitzuteilen, dass man "in Interesse des Landes" habe eingreifen müssen.

Doch im Moment sieht es eher nach Neuwahlen aus als nach der Rückkehr des Militärs aus der Kaserne an die Macht. Zum einen werden Armeechef Kayani keine großen politischen Ambitionen nachgesagt, zum anderen könnte die Zurückhaltung des Militärs diesmal auch damit begründet sein, dass es wenig Erfreuliches von der zivilen Regierung zu erben gibt. Das Land leidet unter einer schweren Wirtschafts- und Energiekrise. Islamistische Gruppen terrorisieren den Staat und das Verhältnis zum wichtigen Partner Washington ist auf einem diplomatischen Tiefpunkt.

Pakistans neue Politik-Star Imran Khan gilt als aussichtsreicher Kandidat für die nächste Abstimmung und der frühere Cricket-Held hat beim Militär viel Sympathie. Und auch Ex-General Pervez Musharraf, der Pakistan zehn Jahre lang regierte, plant sein politisches Comeback. Er will Ende Januar aus seinem selbst gewählten Exil in Dubai nach Pakistan zurückkehren, um den Wahlkampf für seine neue Partei zu führen.