Zum Hauptinhalt springen

Iran dreht Spieß um: Öl-Boykott gegen Europa

Von Arian Faal

Politik

Parlament will noch an diesem Wochenende ein entsprechendes Gesetz verabschieden.


Teheran/Paris/Wien. Das neue EU-Embargo gegen den Iran tritt erst mit Juli in Kraft, doch die Hardliner in Teheran kommen Europa zuvor: Sie wollen ihre Drohungen wahr machen und Europa nach der jüngsten Verschärfung der Sanktionen (siehe Kasten) in einer beispiellosen Aktion den Ölhahn schon in den nächsten Tagen abdrehen. Bei einer dringlich einberufenen Sondersitzung des iranischen Parlaments (Majles) soll die endgültige Entscheidung, der Gesetzesentwurf darüber, bereits an diesem Wochenende beschlossen werden.

Schon jetzt haben sich aber breite Teile der Führungsriege in ungewohnter Einigkeit geschlossen für diesen drastischen Schritt ausgesprochen. Der aus 86 Gelehrten bestehende Expertenrat, der für die Wahl, die Beurteilung und Abwahl des obersten Führers zuständig ist und sich nicht ins politische Tagesgeschehen einmischt, bringt die Stimmung im Land in einer Aussendung auf den Punkt: "Da die Europäer nicht schnell genug zu anderen Lieferanten wechseln können, wäre ein Preisschock die Folge", resümierte Ali Fallahian, Ex-Geheimdienstminister und Expertenrates-Mitglied zynisch.

Einige Abgeordnete des Parlaments fügten hinzu, dass man als Vergeltung selbstverständlich auch das Recht habe, die Straße von Hormuz zu schließen. Solch ein Schritt sei "zunehmend eine Möglichkeit". Eine Drohung, die einen Dominoeffekt auslösen könnte: Die Blockade des wichtigen Seeweges, über den 40 Prozent des weltweit auf Schiffen transportierten Öls gehen, würde eine Reaktion Washingtons nach sich ziehen, wie die USA bereits angekündigt haben.

Vor Letzterer zeigt sich Irans Führungselite aber unbeeindruckt: "Wir fürchten uns nicht. Ihr seid die wahren Feinde des iranischen Volkes und Lügner. Ihr sagt, ihr wollt mit den Sanktionen das Regime treffen, aber in Wirklichkeit bestraft ihr das Volk. Ich bin zuversichtlich, dass das iranische Volk auch aus dieser Krise gestärkt hervorgehen wird", tobte Präsident Mahmoud Ahmadinejad bei einer Rede in der südöstlichen Stadt Sarcheshmeh in Kerman am Donnerstag gegen den Westen. Nachsatz: Am Ende werden wir die Sieger sein.

Auch anderswo hagelte es reihenweise scharfe Kritik an den jüngsten EU-Sanktionen gegen Teheran. Mehrere südamerikanische Länder, darunter Venezuela und Bolivien, aber auch Staaten wie Pakistan, Weißrussland, die Türkei und Russland rüffelten die Vorgangsweise der Europäer. Die EU verfolge im Atom-Streit mit dem Iran eine "zutiefst fehlerhafte Linie", teilte etwa das Außenministerium in Moskau mit. Auch die Chinesen sind nicht sehr erfreut über die neuesten Strafmaßnahmen.

"Europa erträgt nicht, dass Iran eigenen Willen hat"

Es muss zudem eine Genugtuung für die Perser gewesen sein, dass sich der Kreml in den letzten Tagen demonstrativ Iran-freundlich gezeigt und weitere UN-Sanktionen kategorisch ausgeschlossen hat. In dieselbe Kerbe schlug auch China. Ein Sprecher des Außenamtes betonte, dass die jüngsten Sanktionen überhaupt nicht konstruktiv seien und sein Land hoffe, dass die EU diese kontraproduktiven Schritte künftig unterlassen würde.

Der pakistanische Vizepräsident Awami Tehreek Agha Murtaza Poya ging sogar noch einen Schritt weiter und meinte, dass die Sanktionen weder den wissenschaftlichen Fortschritt noch die wirtschaftliche Entwicklung des Iran stoppen könnten. Offenbar könne es Europa nicht verkraften, dass der Iran seinen eigenen Willen habe und sich nicht den der Europäer aufzwingen lassen wolle. Somit seien die Sanktionen für ihn ein "Akt der Verzweiflung".

Einen Schuss nach hinten erzielt die EU auch mit ihrem Sanktionspaket: Auch im Iran selbst wird es nämlich viele Nutznießer der Sanktionen geben. "Sie kennen das doch. Strafmaßnahmen und Sanktionen führen immer zu einer raschen Schwarzmarktbildung - und davon werden wir hier auf jeden Fall profitieren. Es wird eine Tür geschlossen und fünf andere öffnen sich. Am Ende des Tages wird die Improvisationskunst der Perser siegen, um die Sanktionen zu umgehen", meint einer der Handelstreibenden ("Bazari") in Teheran im telefonischen Gespräch mit der "Wiener Zeitung".

Schmuggler profitieren - auch die Revolutionsgarden?

Andere Experten rechnen damit, dass fortan auch die paramilitärischen Revolutionsgarden dazuverdienen würden, denn sie könnten sich dafür bezahlen lassen, organisierten Schmuggel und Scheinfirmen zu tolerieren.

Eines hat die Debatte im Iran auf jeden Fall bewirkt: Die Unzufriedenheit der Bevölkerung mit dem Westen, aber auch mit dem eigenen Regime und dessen Politik kommt nach und nach ans Tageslicht. "Ein großer Dank an die Europäer, sie haben uns mit diesen Sanktionen ein weiteres Mal an den Rand des Abgrundes getrieben. Wir Perser haben in diesem iranischen Kalenderjahr bereits die Kürzung der staatlichen Subventionen bei Treibstoff und Lebensmittel hinnehmen müssen. Zudem belastete dieses Regime mit der Erhöhung der Miet- und Energiepreise vor allem das Haushaltsbudget der ärmeren Schichten. Wie sollen wir den unsere Familien ernähren?", will Saman A. aus der iranischen Stadt Mashad wissen.

Seine Ehefrau, Samira R. ergänzt: "Die jüngsten Sanktionen werden binnen kurzer Zeit an das Volk weitergegeben. Höhere Inflation, weniger und teurere Markenwaren aus dem Westen und ein weiterer rasanter Anstieg der Arbeitslosigkeit und somit ein fortschreitendes Auseinanderklaffen der sozialen Schere werden die logischen Folgen sein."

Diese Unzufriedenheit könnte sich nun im Wahlergebnis bei den Parlamentswahlen im März niederschlagen. Viele sprechen bereits jetzt von einer Denkzettelwahl für Präsident Ahmadinejad - wenn es diesem nicht gelingt, die vorhandene antiwestliche Stimmung zu seinen Gunsten umzumünzen.