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Wahl im Jemen von Gewalt überschattet

Von Nadja Kwapil

Politik

Die Jemeniten wählen unter lautem Protest einen neuen Präsidenten.


Sanaa. Lange Zeit schien ein Jemen ohne Präsident Ali Abdullah Saleh kaum vorstellbar. Schließlich war er schon im Amt, als im Kreml Leonid Breschnew und im Weißen Haus Jimmy Carter regiert haben. Heute endet allerdings formell und offiziell die 33-jährige Amtszeit Salehs, die Jemeniten wählen einen neuen Präsidenten, dabei gibt es nur einen Kandidaten.

In der Hauptstadt Sanaa nahmen die Wähler lange Wartezeiten in Kauf, um dem designierten Präsidenten und bisherigen Stellvertreter Salehs, Abed Rabbo Mansur Hadi, ihre Stimme zu geben. Während die Wahlen in Sanaa ruhig verliefen, versank der Süden des Landes in schweren Unruhen. Bei Feuergefechten zwischen Sicherheitskräften und politischen Gruppierungen, die zum Wahlboykott aufgerufen hatten, gab es nach Angaben von lokalen Medien und der Polizei mindestens zwei Tote und rund 30 Verletzte. Insbesondere im Südjemen blieben wegen der Gewalt 50 bis 70 Prozent der Wahllokale geschlossen.

Vor allem Jugendbewegungen hatten die Wahl im Vorfeld als verfassungswidrige Schein-Wahl kritisiert - es brauche mindestens zwei Kandidaten, so der Einwand. Unter den anderen politischen Gruppierungen, die den Wahlboykott unterstützten, befanden sich laut Medienberichten auch die schiitischen Houthi-Rebellen. Sunniten warfen ihnen vor, in etlichen Bezirken der nordwestlichen Provinz Saada die Menschen an der Stimmabgabe gehindert zu haben - obwohl die Houthi-Rebellen vor den Wahlen beteuert hatten, dass sie jene, die wählen wollen, nicht daran hindern würden, auch wenn sie selbst gegen die Wahlen seien. Auch die separatistische "Süd-Bewegung" blockierte Wahllokale im Süden und nutzte den Wahlgang, um damit erneut für ihre Abspaltung und die Eigenstaatlichkeit einzutreten.

Trotz der vielen Gegenstimmen ist die Bevölkerungsmehrheit aber dennoch für den Machtwechsel. Denn der Autokrat Saleh, der auf regimekritische Demonstranten schießen ließ, war dem Großteil der Bevölkerung ein Dorn im Auge.

Nobelpreisträgerin unterstützt Al-Hadi

Zu den ersten Wählern, die ihre Stimme abgaben, gehörte die Friedensnobelpreisträgerin Tawakkul Karman. Sie hatte bei den Protesten gegen Präsident Saleh, die vor einem Jahr begonnen hatten, eine führende Rolle inne. Auf ihrer Facebook-Seite warb sie um Unterstützung für Al-Hadi und rief zu "massenhafter Wahlbeteiligung" auf. Al-Hadis Präsidentschaft sei "einer der Siege der jemenitischen Jugendrevolution, die Saleh vertrieben habe", zitierten Medien. Zwei Jahre solle er nun Zeit bekommen, in denen die Jemeniten einen modernen Staat schaffen sollen. Wie autonom Al-Hadi tatsächlich regieren wird, ist fraglich. Oft wird er als Marionette Salehs beschrieben. US-Präsident Barack Obama zeigte sich jedenfalls optimistisch: Der Jemen könne zum Vorbild für andere arabische Völker werden, er unterstütze Al-Hadi.