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Die Angst vor Al-Kaida

Von Ronald Schönhuber

Politik

Islamistische Terrorgruppen könnten die großen Nutznießer der Krise in Mali sein.


Bamako/Addis Abeba. Für Cisse Yacouba ist es längst nur noch eine Frage des Zeitpunkts. Und er will rechtzeitig da sein, bevor es zu spät ist. Gemeinsam mit vielen anderen steht der 25-jährige Student daher vor einer Bank in Bamako, um seinen Stipendienzuschuss abzuholen. "Wenn die Sanktionen zu wirken beginnen und alle ihre Geld abheben, wird bald keines mehr da sein", sagt Yacouba. Es sind allerdings nicht nur die Banken, vor denen sich derzeit in der malischen Hauptstadt lange Schlangen bilden. Seit am Dienstag auch die Afrikanische Union und die USA wirtschaftliche Sanktionen gegen die durch einen Putsch am 22. März an die Macht gekommenen Offiziere verhängt haben, stehen auch vor den Tankstellen die Menschen mit Benzinkanistern und Kübeln an. Die Elfenbeinküste, von der Mali den Großteil seines Treibstoffes bezieht, hat ihre Grenzen bereits unmittelbar nach dem Sanktionsbeschluss völlig dichtgemacht.

Für viele Menschen in Mali zählen die Einlagen auf der Bank oder ein voll gefüllter Tank aber schon längst nicht mehr zu den zentralen Sorgen. Seitdem die Tuareg und regionale Islamistengruppen die Wirrungen um den Putsch in der Hauptstadt ausgenutzt haben, um weite Teile Nordmalis unter ihre Kontrolle zu bekommen, sind knapp 220.000 Menschen zu Flüchtlingen geworden. Schon vor dem Ausbruch der Unruhen war die Versorgungssituation hier aufgrund der seit Monaten in der Sahelzone herrschenden Dürre prekär, durch den Vorstoß der Tuaregrebellen hat sich die Lage aber nochmals verschlechtert. "Unser Hilfsoperationen im Norden Malis sind zu einem völligen Stillstand gekommen", sagt EU-Entwicklungskommissar Adris Piebalgs. "Aufgrund der Instabilität können wir momentan nichts tun, und ich glaube nicht, dass es zum derzeitigen Zeitpunkt irgendjemanden gibt, der Zugang zu den Menschen dort hat."

Frankreich erhöht Druck

Dass sich die Situation in absehbarer Zeit wesentlich bessert, scheint allerdings alles andere als wahrscheinlich. Sorgen bereitet westlichen Diplomaten vor allem, dass neben den Tuareg auch islamistische Gruppen im Norden auf dem Vormarsch sind. In Timbuktu, das zuvor in der Hand der Tuareg-Rebellen war, herrscht seit Dienstag die über gute Kontakte zur Al-Kaida im Islamischen Maghreb verfügende Ansar Dine. Bereits unmittelbar nach dem Einmarsch wurde die Scharia über die historische Oasenstadt verhängt. Die Einwohner Timbuktus wurden angewiesen, keine internationale Musik mehr zu spielen, Frauen dürfen keine Hosen, sondern nur noch Röcke und Kleider tragen. Für Frankreichs Außenamtssprecher Bernard Valero sind die Unruhen im Norden des ehemals stabilen Landes aber längst nicht mehr nur ein regional begrenztes Problem. "Wir befürchten, dass die Al-Kaida im Islamischen Maghreb die konfuse Situation ausnutzen wird, um ihren Einflussbereich und ihr terroristisches Bedrohungspotenzial auszuweiten", sagte Valero am Mittwoch.

Die Al-Kaida im Islamischen Maghreb, die 2007 aus der algerischen Salafisten-Bewegung hervorgegangen ist, hat bereits in der Vergangenheit immer wieder die Schwäche regionaler Regierungen ausgenutzt, um Angriffe auf staatliche Einrichtungen durchzuführen oder westliche Touristen als Geiseln zu nehmen. Derzeit befinden sich in ihrer Hand noch sechs französische Staatsbürger.

Noch am Mittwoch wollte Frankreich über den UN-Sicherheitsrat den Druck weiter erhöhen. Geplant war laut Diplomatenangaben eine neue Erklärung, die eine starke Botschaft sowohl an die Putschisten in Bamako als auch an die Tuareg-Rebellen und Islamisten im Norden aussenden sollte. Trotz eines gegenteiligen Versprechens hatten die Putschisten es zuvor abgelehnt, die Macht an eine demokratische gewählte Regierung abzugeben. Stattdessen erklärten die Offiziere um Hauptmann Amadou Sanogo am Mittwoch, den gestürzten Präsidenten Amadou Toumani Toure wegen Hochverrats und Veruntreuung anklagen zu wollen.