Berlin. Vor 20 Jahren trafen sich Staats- und Regierungschefs in Rio de Janeiro, um die Umwelt zu retten. 20 Jahre später fällt die Bilanz des "Weltnachhaltigkeitsgipfel" von 1992 düster aus. Kaum eines der damals formulierten Umwelt- und Entwicklungsziele wurde erreicht. Die Treibhausgas-Emissionen stiegen seit damals um 40 Prozent. Nächste Woche versammeln sich die Staats- und Regierungschefs abermals in Rio. Vom Folgegipfel "Rio+20" soll nun noch einmal ein Aufbruchsignal ausgehen.

Die Voraussetzungen für einen Erfolg scheinen ungünstig zu sein. Die wichtigen G-20-Staaten, die sich bereits Anfang kommender Woche in Mexiko versammeln, haben in erster Linie die Finanzkrise auf der Agenda. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), einst als "Klimakanzlerin" gefeiert, lässt sich beim "Rio plus 20"-Gipfel, zu dem rund 120 Staats- und Regierungschefs erwartet werden, von Umweltminister Peter Altmaier (CDU) und Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) vertreten. Die Wirtschaftskrise sei dafür "keine Entschuldigung", äußerte sich der Leiter der brasilianischen Umweltbehörde, Chico Mendes, verärgert. Österreich ist bei dem Gipfel durch Umweltminister Nikolaus Berlakovich und Staatssekretär Wolfgang Waldner vertreten.
Offizielle Linie der EU ist, in Rio "anspruchsvolle Ergebnisse" zu erreichen: Ein überzeugendes Bekenntnis zu einer "Grünen Wirtschaft", in der sozial und ökologisch nachhaltiges Wirtschaften im Vordergrund steht, eine institutionelle Stärkung des weitgehend machtlosen UN-Umweltprogramms UNEP, ein ebenfalls gestärkter Nachhaltigkeitsrat, vielleicht auch ein UN-Sondergesandter, schließlich weltweite Nachhaltigkeitsziele als Messlatte für künftiges Handeln. "Nachhaltigkeit für alle" ist das Motto.
Nicht unstrittig ist allerdings die "Grüne Wirtschaft". Die Befürworter wollen durch mehr Energieeffizienz oder neue Anbautechniken in der Landwirtschaft einen Einklang von Wirtschafts-, Umwelt- und Entwicklungspolitik erreichen. Kritiker wie der Potsdamer Wirtschafts- und Klimawissenschaftler Ottmar Edenhofer fürchten, der Traum vom grünen Wachstum könnte als Ausrede für klimapolitisches Nichtstun dienen. Andere warnen vor Raubbau an der Natur durch den weiteren Ausbau von Energie aus Biomasse.
Die Frontstellungen in Rio dürften denen auf den UN-Klimakonferenzen ähneln: Die Europäer eher drängend, vor allem was den Klimaschutz angeht; die USA, Japan, Russland und Kanada bremsend bei multilateralen Verpflichtungen, besonders die Vereinigten Staaten, wo Barack Obama im Präsidentschaftswahlkampf innenpolitisch heikle Öko-Themen vermeiden will; die Schwellen- und Entwicklungsländer, die auf technische und finanzielle Hilfe bei Armutsbekämpfung, Klimaschutz und -anpassung drängen, sich aber keine Hemmnisse für ihre wirtschaftliche Entwicklung auferlegen lassen wollen.
Allerdings scheint sich ein Trend zu bestätigen, der schon auf der UN-Klimakonferenz in Durban Ende 2011 erkennbar war. Die von Klimawandel und Umweltzerstörung besonders betroffenen afrikanischen Staaten sind immer weniger bereit, sich den Interessen etwa ölreicher arabischer Staaten in der Gruppe G-77 der Entwicklungsländer unterzuordnen, sondern sehen ökologische Nachhaltigkeit zunehmend als Voraussetzung auch ihrer wirtschaftlichen Entwicklung. So wird die Forderung nach einer machtwollen eigenständigen UN-Umweltorganisation "UNEO" von ihnen ausdrücklich unterstützt.
Vor 20 Jahren kam die Weltgemeinschaft zur UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED) in Rio de Janeiro zusammen, um über nachhaltige Entwicklung zu beraten. Der sogenannte Erdgipfel von Rio sollte einen Anstoß zur Rettung der Erde geben und Nachhaltigkeit als Grundprinzip für verschiedene Bereiche verankern. Die Ambitionen waren groß, die erreichten Ziele weniger. Vom 20. bis 22. Juni kommen Vertreter aus mehr als hundert Ländern erneut in der brasilianischen Metropole zusammen, um über die Möglichkeiten nachhaltiger Entwicklung zu beraten.