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"Ist es wirklich im russischen Interesse, Assad zu helfen?"

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

Österreichs UN-Botschafter Sajdik über Assads Verbündete Moskau und Peking.


"Wiener Zeitung": Auf der globalen Bühne ist Syrien derzeit das Thema, das alle anderen überlagert. Russland und China haben im UNO-Sicherheitsrat sämtliche Resolutionen blockiert, die das Assad-Regime in seinem Endkampf entscheidend geschwächt hätten. Warum?Martin Sajdik: Die beiden Länder haben in Sachen Syrien eine reine Zweckallianz gebildet. Das große Rätsel besteht für mich in der Frage, warum sie die Haltung Europas und der USA in dieser Frage als feindlich wahrnehmen. Warum haben Russland und China so ein großes Interesse daran, das Assad-Regime aufrecht zu erhalten?

Ja, warum denn? Sie kennen beide Länder gut, haben dort lange gelebt . . .

Ich war insgesamt knapp mehr als zehn Jahre lang in Russland - und trotzdem ist es mir immer wieder ein Rätsel, warum sich das Land so entwickelt, wie es sich entwickelt. Ich frage mich: Entspricht es am Ende des Tages wirklich den russischen Interessen, sich hinter einen Bashar al-Assad zu stellen? Und entspricht das wirklich dem, was die russische Bevölkerung will? Vielleicht liegt es am russischen Nationalismus, der wirklich tief in den Menschen drinsteckt. Dieses Volk hat über Jahrhunderte gelernt, eine Großmacht zu sein.

Was China angeht: Die Zweckallianz betreffend Syrien kann ich mir so erklären: Die Russen haben ein offensichtliches Interesse, ihren Verbündeten Assad zu halten, und China hat sich entschlossen, sich in dieser Frage mit ihnen zu solidarisieren. Im Gegenzug solidarisieren sich die Russen mit den Chinesen, wenn es um Nordkorea geht. Ich kann mir aber auch vorstellen, dass das, was in Libyen passiert ist, dazu beigetragen hat, die Positionen zu verhärten.

Inwiefern kann ein österreichischer UNO-Botschafter auf die Debatte einwirken?

Indirekt. Ich habe eine Herzensangelegenheit, die bei der nächsten Generalversammlung ein Schlüsselthema sein wird: Fragen der Rechtsstaatlichkeit. Am 24. September wird es dazu ein Treffen geben, an dem auch Bundespräsident Heinz Fischer teilnehmen wird. Wenn man sich, so wie ich, der essenziellen Rolle der Rechtsstaatlichkeit bewusst ist, dann kämpft man auch dafür, dass es eine gescheite Deklaration gibt und dann hoffentlich eine Follow-up-Diskussion.

Ab wann gilt eine derartige Initiative als Erfolg?

In solchen Rechtsfragen stellen schon ein paar Millimeter Bewegung in die richtige Richtung einen Erfolg dar. Deshalb freue ich mich auch, dass der Bundespräsident dafür extra hierher kommt. Er wird gemeinsam mit dem Präsidenten von Tunesien und einem hochrangigen Vertreter der japanischen Regierung eine Rede halten. Wenn es ums Thema Korruption geht, soll es darum gehen, nicht nur jene anzuprangern, die nehmen, sondern auch jene, die geben; darum, dass Unternehmen weltweit entsprechende Verhaltenskodizes annehmen und diese auch befolgen.

Tunesien, Japan, Österreich? Eine interessante Allianz.

Genau in dieser Mischung liegt die Stärke. Mit einem Zine Ben Ali an der Macht hätten wir das nicht geschafft. Die Tunesier haben eine Revolution hinter sich und versuchen jetzt ihr Land neu aufzubauen. Die Japaner, in deren Land viele global agierende Konzerne sitzen, tragen das Ganze vollinhaltlich mit - was will man mehr? Darüber hinaus werden wir ab nächstem Jahr Mitglied des Ecosoc (Economic and Social Council), der UNO-Beratungsplattform für wirtschaftliche und soziale Themen. Die wurde schon zigmal totgesagt, aber für mich ist das ein stiller Vulkan, aus dem schon jetzt wieder Dämpfe aufsteigen. Ich will dort noch für ein paar Eruptionen sorgen.

Zur Person



Martin Sajdik

Der studierte Jurist, Jahrgang 1949, ist seit Beginn dieses Jahres Österreichs Ständiger Vertreter am Hauptsitz der Vereinten Nationen in New York City.