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"Wurden als Spinner abgetan"

Von Michael Schmölzer

Politik

Transaktionssteuer 1972 erfunden, Ökonom Tobin lehnte Attac prinzipiell ab.


Wien. "Als wir 1998 begonnen haben, die Finanztransaktionssteuer zu propagieren, hat man uns als Spinner abgetan", erinnert David Walch, Sprecher der globalisierungskritischen Organisation Attac. 14 Jahre und eine verheerende Wirtschaftskrise später hat sich das Blatt gewendet. Elf EU-Staaten, darunter Deutschland mit dem großen Finanzplatz Frankfurt, wollen Spekulationsgeschäften steuerlich zu Leibe rücken. Sogar konservative Geister steigen in der Frage aufs Gas, der schwarze Vizekanzler Michael Spindelegger etwa. Er will eine Umsetzung der Steuer, unbedingt und rasch. "Jeder, der spekuliert, muss einen Beitrag leisten", sagt der ÖVP-Mann. Das klingt weniger visionär als der Attac-Slogan, dass eine andere Welt möglich sei - dafür war man wohl noch nie so nah an einer tatsächlichen Umsetzung der Idee.

Die Finanztransaktionssteuer ist kein neuer Gedanke, sie geht auf einen US-amerikanischen Ökonomen namens James Tobin zurück, der die Idee im Jahr 1972 formulierte. Attac wurde viel später mit dem zunächst einzigen Ziel gegründet, die "Tobin-Tax" weltweit durchzusetzen. Mittlerweile richtet sich die Organisation generell gegen neoliberales Gedankengut, die Themen sind breiter gefächert. Tobin selbst ist 2002 in Connecticut gestorben, Attac hat er immer vorgeworfen, seinen Namen zu missbrauchen. Er habe mit der Organisation nichts gemein, sei vielmehr ein Verfechter des Freihandels, so der Wirtschaftsgelehrte, der einige Jahre an der Universität Yale unterrichtet hat. Tatsächlich ist Tobins Grundidee von den Attac-Aktivisten in einigen Punkten modifiziert worden.

"Die missbrauchen

meinen Namen"

Dass der US-Professor dafür gewesen sein soll, die Erträge seiner Steuer Ländern der Dritten Welt zugute kommen zu lassen, ist in jedem Fall ein Märchen. Tobin hat vielmehr eine derartige Verwendung nicht dezidiert ausgeschlossen, das aber als keinesfalls zentralen Aspekt bezeichnet. "Ich befürworte den Internationalen Währungsfonds, die Weltbank, die Welthandelsorganisation - all das, wogegen diese Bewegung anrennt. Die missbrauchen meinen Namen", beschwerte sich der emeritierte US-Professor und Nobelpreisträger noch 2001 in einem "Spiegel"-Interview.

Bei Attac lässt man sich davon die Stimmung nicht verderben: Die Elf-Länder-Einigung zur Finanztransaktionssteuer sei ein "enormer Erfolg der globalisierungskritischen Bewegung und aller gesellschaftlichen Kräfte, die sich für eine Eindämmung der Spekulation an den Finanzmärkten einsetzen", heißt es in einer Aussendung. "Unsere jahrelange Arbeit trägt Früchte." Dass die Steuer nach dem Sitzland-Prinzip eingehoben wird, freut Attac besonders. Nun könne bewiesen werden, dass die Horror-Szenarien, die von den Steuer-Gegnern an die Wand gemalt würden, "haltlos" seien. Denn wenn ein Unternehmen seine Anschrift beispielsweise in Deutschland hat, dann ist es von der Steuer betroffen. Wie hoch die Abgabe ist, ist noch nicht klar. Brüssel nennt Sätze zwischen 0,01 bis 0,1 Prozent. "Die Einigung birgt Chancen und Gefahren", meint Attac-Sprecher David Walch im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Jetzt komme es auf die Umsetzung an - auch bei der Tobin-Tax steckt der Teufel im Detail. "Wenn die Realisierung lückenhaft ist, wenn gewisse Transaktionen ausgenommen sind - etwa Devisengeschäfte - oder wenn es unterschiedliche Steuersätze gibt, können Spekulanten ausweichen", warnt Walch. Wichtig sei, dass auch der außerbörsliche Handel einbezogen werde.

Geldquelle für

marode Budgets

Was Wirkung und Zukunft der Transaktionssteuer angeht, ist Walch Realist: "Diese Steuer ist keine Wunderwaffe, sie kann nicht jede Krise verhindern." Dass die hohe Politik plötzlich Sympathien für die Spekulanten-Besteuerung entwickelt hat, liegt für Walch in der allgemeinen Finanzkrise des Staates. "Die Politiker haben erkannt, dass hier enorme Einnahmen möglich sind, und diese Steuer kann man den Menschen auch leicht verkaufen. Schließlich trifft es die, die für das Malheur verantwortlich sind."

Bei Attac hofft man, dass die Tobin-Tax schrittweise auch in anderen Ländern eingeführt wird: "Wir sehen Widerstand in den ganz großen Finanzzentren wie London und New York und auch in den Steueroasen. Da wird politisch blockiert", so Walch. Sollte es hier keinen Fortschritt geben, dann seien weitere Katastrophen vorprogrammiert. "Die nächsten ‚Bubbles‘ werden kommen, wenn nicht ausreichend reguliert wird. Spätestens dann wird man die Konsequenzen ziehen müssen", sagt Walch.