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Heikle Mission in Mali

Von Ronald Schönhuber

Politik

Internationaler Truppe droht ein von Guerilla-Aktionen geprägtes Irak-Szenario.


Bamakao. In Bamako ist es fast so, als ob nichts gewesen wäre. In den Straßen und Gassen der knapp zwei Millionen Einwohner zählenden Hauptstadt herrscht reges Treiben, die Menschen gehen wieder ihren alltäglichen Beschäftigungen nach. Und auch auf den Märkten werden Fleisch, Gemüse und Lederwaren verkauft wie zu jenen Zeiten, als Mali als demokratischer Vorzeigestaat in Afrika galt. Lediglich an der Residenz von Übergangspräsident Dionkounda Traore zeugen noch Spuren davon, dass der Putsch, der das Land in einer Art Kettenreaktion ins Chaos gestürzt hat, erst sechs Monate her ist.

Ein paar hundert Kilometer weiter sieht die Lage allerdings gänzlich anders aus. Die Mitglieder der islamistischen Ansar Dine, die gemeinsam mit den Tuareg-Rebellen die Wirren des Umsturzes nutzen konnten, um den Norden des Landes unter ihre Kontrolle bringen, halten dort die Macht noch immer fest in den Händen. Mehr als 400.000 Menschen sind laut dem UNO-Flüchtlingshochkommissariat mittlerweile aus der Region geflohen.

Vertrieben wurden sie vor allem durch das steinzeitliche Schreckensregime, das die Ansar Dine in den vergangenen Monaten errichtet haben. Die Islamisten, denen enge Kontakte zu Al-Kaida nachgesagt werden, führten die Scharia ein, in Timbuktu, der wichtigsten Stadt der Region und einst mythisch verklärter Sehnsuchtsort, darf in den wenigen verbliebenen Bars seitdem keine weltliche Musik gespielt werden. Für Frauen gilt ein strenger Kleiderkodex, unverheiratete Paare dürfen weder gemeinsam über die Straßen gehen, noch in öffentlichen Verkehrsmitteln nebeneinandersitzen. Wer sich widersetzt, wird eingeschüchtert, bedroht oder geschlagen.

Auch von Hinrichtungen und Steinigungen ist die Rede. Der Zorn der Islamisten machte nicht einmal vor den jahrhundertealten und zum UN-Weltkulturerbe zählende Mausoleen und Friedhöfen in Timbuktu Halt. Heiligenverehrung gilt den neuen Machthabern im Norden Malis als unislamisch. Mit Schaufeln und Spitzhacken wurden die Heiligengräber der Djingareyber-Moschee und anderer bedeutender Stätten bereits kurz nach der Machtübernahme dem Erdboden gleichgemacht.

Knapp sechs Monate später zeigt sich nun zumindest aber ein Hoffnungsschimmer für die Bevölkerung im Norden, die dem archaischen Treiben der Ansar Dine zu einem Gutteil kritisch gegenübersteht. 3300 Soldaten will die westafrikanische Staatengemeinschaft Ecowas nach Mali schicken, um der Herrschaft der Islamisten ein Ende zu setzen. Laut dem ivorischen Präsidenten Alassane Outtara, dessen Land sich an der Eingreiftruppe beteiligen will, könnte der am Sonntagabend beschlossen Plan umgesetzt werden, sobald ihn die UNO abgesegnet hat. Outtara, der derzeit den Ecowas-Vorsitz führt, hofft, dass bereits Ende November oder Anfang Dezember eine entsprechende Entscheidung fallen wird.

EU schickt Ausbildner

Doch das wahrscheinlich für den Umfang von sechs bis zwölf Monaten erteilte Mandat, an dem sich auch die EU mit rund 200 militärischen Ausbildnern beteiligen dürfte, ist nur der erste Schritt eines langen und steinigen Weges. Seitdem die Tuareg-Rebellen, die sich mit der Ausrufung des Staates Azawad am Ziel ihrer jahrzehntelangen Unabhängigkeitsbemühungen wähnten, wegen der strikten Auslegung der Scharia ihr Bündnis mit den Ansar Dine aufgekündigt haben, ist die Lage noch unübersichtlicher geworden.

Malische Armee-Experten befürchten zudem, die Kämpfer der Ansar Dine könnten ihre Strategie dahingehend ausrichten, dass sie konventionelle Kampfhandlungen vermeiden, indem sie sich in die Berge zurückziehen oder bei der lokalen Bevölkerung Unterschlupf suchen. Und ähnlich wie bei den Interventionen in Afghanistan oder im Irak, die den Staatenlenkern sowohl in Afrika als auch in Europa als Schreckgespenst im Hinterkopf sitzen, könnte sich auch der Einsatz in Mali jahrelang ohne spürbare Erfolge hinziehen.

Bereits Tage, bevor die Ecowas am Sonntagabend ihren Eingreifplan beschlossen hat, hatte die mit der Ansar Dine verbündete Islamistengruppe Mujwa ein vor Terroranschlägen und Guerilla-Aktionen geprägtes Irak-Szenario angedroht. Das terroristische Potenzial in der Region ist schon jetzt hoch. Laut westlichen Geheimdienstinformationen hat sich der Norden Malis in den vergangenen Monaten zunehmend zum Rückzugsgebiet ausländischer Dschihadisten entwickelt.

Doch die Wahl der richtigen militärischen Strategie im Norden ist nicht das einzige Problem Malis. In der Hauptstadt Bamako residiert noch immer die nach der Beendigung des Putsches eingesetzte und als schwach geltende Übergangsregierung, die angesichts einer möglichen Intervention Wahlen vermeiden will. Für eine dauerhafte Befriedung des einstigen afrikanischen Vorzeigestaates werden aber auch langfristig tragfähige Zugeständnisse sowohl an die Tuareg als auch an die Islamisten nötig sein.