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Bagatellisierung statt Drohung

Von Alexander Dworzak

Politik

Palästina erhält aufgewerteten Beobachterstatus bei Vereinten Nationen.


Tel Aviv/New York. Ein Eingeständnis sieht anders aus: Mit der Aufnahme Palästinas als Beobachterstaat bei den Vereinten Nationen ("non-member state") erleidet Benjamin Netanyahu ein diplomatisches Debakel. Israels Premier bemüht sich um Gesichtswahrung; er redet die Auswirkungen des palästinensischen Vorstoßes klein. Bis vor wenigen Wochen hatten Netanyahu und Außenminister Avigdor Lieberman mit dem Abbruch der Beziehungen zur Palästinensischen Autonomiebehörde unter Präsident Mahmoud Abbas gedroht.

Mittlerweile ist der Ton wesentlich milder: "Wir können nichts gegen den UNO-Status unternehmen; dieser hat aber ohnehin nur symbolischen Wert", skizziert Micky Drill von der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung Israel im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" den Kurswechsel. In dieser Tonart ging es auch am Tag der Abstimmung in der Vollversammlung der Vereinten Nationen weiter: Es sei unerheblich, wie viele Staaten "gegen uns stimmen", sagte Netanyahu.

Mit 130 von 193 Stimmen in der Vollversammlung konnte Palästina rechnen. Die Resolution zur Aufwertung zum Beobachterstaat wurde von mehr als 60 Staaten eingebracht - viele arabische Staaten, aber auch China, Indien, Brasilien und Südafrika. Die Mitunterzeichnung ist protokollarischer Natur, zeigt aber die große Unterstützung für den Antrag.

Neben dem eindeutigen Votum ist auch das Datum der Abstimmung bedeutend: Am 29. November 1947 entschied die UNO die Teilung des Landes in einen jüdischen und einen arabischen Staat. Exakt 65 Jahre nach diesem Erfolg für Israel muss Netanyahu eine herbe Niederlage einstecken.

Neben arabischen und islamischen Nationen sowie Entwicklungsländern hatten auch einige EU-Mitglieder bereits im Vorfeld ihre Unterstützung zugesagt, darunter Österreich, Frankreich und Spanien. "Sich nicht zu deklarieren, halte ich für keine gute Politik", sagte Außenminister Michael Spindelegger.

Uneinige Europäische Union

Die Spaltung der EU wird in Israel genau beobachtet, insbesondere die unterschiedlichen Standpunkte des Befürworters Frankreich und der Neutralen Großbritannien und Deutschland. Erst wollte Berlin auf Israels Seite stimmen, nun enthielt man sich. Diese Positionsänderung ist ein Zugeständnis an Abbas, dessen säkulare Fatah immer öfter ein Schattendasein gegenüber der radikalislamischen Hamas fristet. Vorbehaltlos mit Israel votierten die USA. "Der Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung" führe "durch Jerusalem und Ramallah und nicht über New York", so Außenministerin Hillary Clinton. Washington plädiert für direkte Verhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern.

Spätes Interesse in Israel

Bis vor wenigen Tagen war der palästinensische UNO-Antrag kein groß diskutiertes Thema in Israel. Die vergangenen Wochen beherrschte der Gaza-Konflikt, Vorwahlen beim konservativen Likud sowie die anstehenden Primaries bei der Arbeitspartei und das Comeback von Tzipi Livni mit der neuen Gruppierung "Die Bewegung" die Schlagzeilen.

Einig sind sich Israels Parteien mit ihrer Kritik an Netanyahu - aus unterschiedlichen Motiven: Die Linke hielt es von vornherein für utopisch, dass der Antrag der Palästinenser gestoppt werden könnte. Netanyahu streute dem Wahlvolk mit seinem Trommeln lediglich Salz in die Augen. Die Rechte kritisiert den Premier für sein Versagen: Er rede groß, aber mache nichts, skizziert Experte Drill die Stimmungslage. Als Gelegenheit für den Friedensprozess sieht den UNO-Status Palästinas neben den arabischen Parteien in der Knesset lediglich die linksliberale Meretz - und Ex-Premier Ehud Olmert, dessen Partei Kadima allerdings marginalisiert ist.

Für die Parlamentswahl am 22. Jänner könnte die Anerkennung der palästinensischen Staatlichkeit Wahlkampfthema sein, schätzt Drill. Bis zur Eskalation in Gaza im November ging es vornehmlich um soziale Gerechtigkeit. Seit der Tötung des Hamas-Militärchefs sind Außen- und Sicherheitspolitik wieder bestimmend, womit die Regierung punkten kann.