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"Blockadehaltung Israels ist dumm"

Von Michael Schmölzer

Politik

Literat Schindel: Judenstaat wird sich wie alle Nationalstaaten auflösen.


Wien. Als "dumm" verurteilt der österreichische Intellektuelle und Schriftsteller Robert Schindel die Weigerung Israels, Palästina als "observer state" in der UNO zu akzeptieren. Im Rahmen des Canetti-Symposions in der Alten Schmiede betonte Schindel gegenüber der "Wiener Zeitung", dass der durch die Regierung Benjamin Netanyahu geschaffene "Status quo, die Palästinenser am langen Arm" fernzuhalten, ein Fehler sei. Auf Seiten Israels gebe es hier "viel zu tun". Die radikale Hamas auf der einen und die israelischen Siedler auf der anderen Seite stünden dem Friedensprozess im Wege. Wobei Schindel, der 1944 als Kind jüdischer Kommunisten in Bad Hall geboren wurde und lange anti-zionistisch argumentiert hat, mit Nachdruck auf die Gefährlichkeit der radikalislamischen Palästinenserorganisationen hinweist: "Wenn die Palästinenser die Waffen niederlegen, gibt es Frieden, wenn die Israelis die Waffen niederlegen, gibt es kein Israel", zitiert Schindel ein Bonmot.

In seinem Vortrag: "Israel. Nation in postnationalen Zeiten?" verteidigte der Literat am Freitag die Existenz des Judenstaates als "späten Rahmen für ein frühes Volk". Die Landnahme nach 1945 sei zwar Unrecht gewesen - was aber in der Geschichte kein Einzelfall wäre. Wenn die USA Texas an Mexiko zurückgäben, dann könne man über Israel reden, erinnert Schindel. Israel sei aus der Shoah entstanden und deshalb eine "moralische und physische" Notwendigkeit, "ob es einem passt oder nicht". Es nütze nichts, die Shoah zu verurteilen, nicht aber die Konsequenz daraus - Israel - zu akzeptieren. Diese Nation könne sich noch als "Fluch oder Segen in der Welt erweisen". Das hänge davon ob, wie man den "Zivilisationsbruch, der Auschwitz heißt", beurteile. Oft werde angemerkt, so Schindel, dass jeder, der Israel kritisiere, die Auschwitz-Keule "aufs Schädeldach geknallt" bekomme. Er wies darauf hin, dass diese Keule "vor allem Juden den Schädel zertrümmert" habe.

Trotzdem, so Schindel, werde Israel wie alle Nationalstaaten früher oder später in "kleineren und größeren Gemeinwesen" aufgehen - wenn die "postnationalen Zeitläufte" das mit sich brächten. "Aber sicher nicht davor": Schindel wörtlich: "Das könnte den vereinigten Antisemiten und Antizionisten so richtig Laune machen, wenn man bei der Auflösung der Nationalstaaten mit Israel begänne." Vorläufig habe man es noch mit der ersten Heimstätte für Juden seit 2000 Jahren zu tun.

Radikaler Sinneswandel

Der Literat verwies im Rahmen des heute, Samstag, endenden Symposions "Die gespaltene Zukunft. Die Vernichtung oder das gute Leben" mehrmals auf seine Vergangenheit als Maoist in den 60er Jahren hin, als man Israel als "Kettenhund des US-amerikanischen Imperialismus" gesehen habe. Er selbst habe die Notwendigkeit für einen jüdischen Staat lange nicht eingesehen, "in den letzten 20 oder 30 Jahren" seine Haltung aber geändert.