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Der harte Kampf gegen die japanische Deflation

Von Sebastian Maslow

Politik

Shinzo Abe kündigt Konjunkturpaket in Billionenhöhe an.


Tokio. (CE) Japans Wirtschaft schwächelt, das Land kämpft mit chronischer Deflation. Der rechtskonservative Premierskandidat Shinzo Abe will mit einem massiven Konjunkturprogramm die stagnierende Wirtschaft anschieben. Das populäre Wahlversprechen eines Inflationsziels von 2 Prozent richtete sich besonders an die Bank of Japan. Sollte Japans Notenbank dieses Ziel nicht erreichen, solle ihr Gouverneur Masaaki Shirakawa die Verantwortung dafür übernehmen. Die Intervention in Japans Geldpolitik ist ein Novum und sorgt für Kritik.

Seit dem Platzen der Spekulationsblase zu Beginn der 1990er hat Japan die höchsten Staatsschulden weltweit angehäuft. Gemessen am Bruttoinlandprodukt (BIP) beläuft sich die Schuldenquote heute auf 229 Prozent, also weit höher als in Griechenland (161 Prozent des BIP; in Österreich sind es 72 Prozent). Bisher hat die Deflation die Renditen auf Staatsanleihen auf ein sehr niedriges Niveau gedrückt und damit der japanischen Regierung eine günstige Refinanzierung ihrer Schulden ermöglicht. Kritiker befürchten daher, dass eine Inflationspolitik den Staatsanleihenmarkt destabilisieren könnte.

Wirtschaft ankurbeln

Abe will die Wirtschaft auch mit einem massiven Konjunkturpaket von 200 Billionen Yen (1,85 Billionen Euro) ankurbeln. Mit den Konjunkturpaketen und einer "uneingeschränkten Lockerung" der japanischen Geldpolitik distanziert sich Abe mit seiner Liberaldemokratischen Partei (LDP) vom Kurs der regierenden Demokratischen Partei Japans (DPJ), der eine Eindämmung der Staatsschulden vorsah. Derweil hat Abe seine drastische Kritik an der Bank of Japan abgeschwächt und erklärt, er respektiere deren Unabhängigkeit. Zugleich hat er aber wiederholt betont, dass sich die Bank an der Wirtschaftspolitik der Regierung orientieren solle.

Noch werden mehr als 90 Prozent der japanischen Staatsschulden im eigenen Land gehalten. Analysten befürchten jedoch, dass sich mit zunehmender Verschärfung der japanischen Wirtschaftskrise, welche die Ersparnisse von Unternehmen und Privathaushalten immer mehr aufbraucht, der Investitionsfluss bald drehen könnte.

Doch keine Steuererhöhung

Abe kündigte außerdem an, auf eine Erhöhung der Umsatzsteuer zu verzichten, sollte Japan seinen Kampf gegen die Deflation auf absehbare Zeit nicht gewinnen. Erst im August hatte das Parlament eine Erhöhung der Steuer von derzeit fünf auf zehn Prozent bis zum Jahr 2015 zugestimmt und damit eine drohende Abstufung durch Ratingagenturen abgewendet. Der amtierende Premierminister Yoshihiko Noda von der DPJ sieht in der Steuererhöhung ein entscheidendes Mittel zur Finanzierung der Sozialsysteme, die durch den demografischen Wandel in Japan vor enormen Schwierigkeiten stehen. Zwischen 2020 und 2050 wird Japans Bevölkerung ein Durchschnittsalter von 52 Jahren erreichen und das Land damit weltweit die älteste Industrienation sein.

Abe versprach seinen Wählern auch, dass Japan sich bei Interventionen auf den Devisenmärkten zurückzuhalten würde. Die Abwertung des Yen hat Japans Exporte nämlich seit Monaten verteuert. Im Gespräch mit dem "Wall Street Journal" erklärte Abe, dass Interventionen als Mittel der Finanzpolitik kaum Wirkung hätten.

Fukushima kostet Milliarden

Neben diesen Problemen kommt die Herausforderung der Finanzierung des Wiederaufbaus der Katastrophenregion um Fukushima hinzu. Die wirtschaftlichen Folgen der Dreifachkatastrophe vom 11. März 2011 wurden bereits früh auf weit über 220 Milliarden Euro berechnet. Hierbei sind die Langzeitfolgen für Wirtschaft und Industrie nicht mit eingerechnet.

Auch der Nationalismus Abes könnte teuer werden. Der Liberaldemokrat verspricht seine Wählern eine härtere Gangart gegenüber China. Seit Monaten belastet der Territorialkonflikt um die Senkaku-/Diaoyutai-Inseln die Beziehungen beider Länder.

Doch China ist Japans wichtigster Exportmarkt. Allein im September dieses Jahres hat der Streit um die Inseln den Handel um 10,3 Prozent einbrechen lassen. Das entspricht einem Rückgang um 5,4 Milliarden Euro. Auch Abe wird seine politische Agenda den wirtschaftlichen Realitäten anpassen müssen.