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Gespräche, keine Lösungen

Von Thomas Seifert

Politik

Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wurde das Thema Asien nur gestreift.


München. Irgendwann kommt der Moment in der "Wehrkundetagung" - man stelle sich das jetzt mit dickem amerikanischen Akzent vorgetragen vor, also "Weeehrkundatagung" -, wo ein amerikanischer Verteidigungsexperte die Europäer zu höheren Militär-Ausgaben und stärkerem militärischem Engagement mahnt. Die "Wehrkundetagung" heißt zwar längst "Munich Security Conference", aber sie ist und bleibt die wichtigste sicherheitspolitische Zusammenkunft im Kalenderjahr: Was für die Wirtschaftseliten das World Economic Forum in Davos in den Schweizer Bergen ist, ist die "Munich Security Conference" für Geopolitik-Streber.

In München lassen sich sicherheitspolitische Trends ablesen: US-Militärs und die Vertreter der Rüstungsindustrie befürchten, dass Präsident Barack Obama wieder zurück will in die goldenen Zeiten Mitte/Ende der 90er Jahre, als die USA ihre Friedensdividende kassiert haben und dem damaligen Präsidenten Bill Clinton das Kunststück ausgeglichener Haushalte gelungen ist. 400 Milliarden US-Dollar standen dem Pentagon damals zur Verfügung, 2013 werden es 728 Milliarden Dollar sein - mehr als 40 Prozent der globalen Ausgaben für Rüstung.

Auch die Europäer müssen sparen, also war in München viel die Rede von "Pooling & Sharing", also einem gemeinsamen Einsatz der Mittel und einem Teilen der vorhandenen militärischen Kapazitäten. Dass das gar nicht so einfach wird, angesichts der Empfindlichkeiten, wenn es um die nationalen Souveränitätsrechte geht, stellte der deutsche Verteidigungsminister Thomas de Maizière bei seiner Pressekonferenz im Gebäude der Hypo-Vereinsbank unter Beweis: Alles, was zu sehr nach einer Europäischen Armee riecht, lehnt Deutschland ab, sagte er den versammelten Journalisten.

Diskutieren um die Hotspots

In München ging es aber auch um die Hotspots, um Mali, Syrien und Iran. Um Mali ein wenig, als die Europäer und die USA den Franzosen Respekt zollten, um Syrien immer wieder, auch wenn sowohl EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton vermied, Syrien anzusprechen und der russische Außenminister Sergei Lawrow sich nur auf Nachfrage entlocken ließ, dass der Einsatz von Chemiewaffen eine "rote Linie" darstellt. Der republikanische US-Senator John McCain stellte danach bitter fest, Lawrows "rote Linie" habe sich für ihn wie ein "grünes Licht" Lawrows für alles andere außer Massenvernichtungswaffen angehört. McCain forderte in München Bombardements auf Luftwaffen-Einrichtungen der syrischen Armee.

Es ist nicht das erste Mal, dass McCain ein robusteres Eingreifen in Syrien fordert, und es hat auch nicht weiter überrascht, dass der saudische Prinz Turki bin Faisal Al Saud und der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu desgleichen - wenn auch in diplomatisch ummantelter Rhetorik - getan haben. Einmal mehr positionierte sich Scheich Hamad bin Jassim bin Jaber Al-Thani, Premierminister von Katar. Das kleine, gasreiche Land, das den einflussreichen arabischen Sender Al-Jazeera finanziert, ist in den vergangenen Jahren zu einem wichtigen diplomatischen Akteur im Nahen Osten aufgestiegen. Al-Thani ließ keinen Zweifel daran, dass Assad gehen muss - Katar hatte ja (ebenso wie die Türkei) versucht, am Beginn des Konflikts zwischen dem Assad-Regime und der Opposition mäßigend auf Assad einzuwirken.

Neu ist hingegen, dass der russische Außenminister Lawrow und der iranische Außenminister Ali Akbar Salehi einen Schritt auf den ebenfalls nach München gepilgerten syrischen Oppositionsvertreter Moaz al-Khatib zugegangen sind. Dieses Treffen wurde als Zeichen dafür gewertet, dass die beiden engsten Verbündeten des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad Alternativen zum Baath-Regime in Damaskus ausloten wollen.

Dauerbrenner Atomstreit

Salehi sorgte am Sonntag dann noch mit seiner Ankündigung, positiv auf das in München von US-Vizepräsident Joe Biden vorgetragene Gesprächsangebot reagieren zu wollen, für Schlagzeilen. Das Dumme ist nur, dass niemand weiß, ob Salehi tatsächlich ein Verhandlungsmandat hat. Denn der Atomstreit ist in der islamischen Republik eindeutig Chefsache, der oberste religiöse Führer Ali Khamenei hat sich stets die letzte Entscheidung, wie der Iran sich im Nuklearstreit verhalten wird, vorbehalten. Die Experten fragen sich nun: Werden die iranischen Delegierten zur nächsten Verhandlungsrunde am 25. Februar in Kasachstan mit einem echten Verhandlungsmandat ausgestattet anreisen oder nicht? Und während der aus Österreich stammende Princeton-Professor und Iran-Experte Wolfgang Danspeckgruber im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" die Notwendigkeit eines Grand Bargain, also einer Lösung aller Probleme mit dem Iran - und dazu gehört für den Iran Syrien - vorschlägt, meint ein US-iranischer Experte, dass dazu im Jahr 2013 keinerlei Hoffnung bestünde. Schließlich werde im Iran in diesem Jahr gewählt, da sei der ohnehin nur sehr enge Spielraum noch knapper.

Der scheidende israelische Verteidigungsminister Ehud Barak hatte zuvor jedenfalls bekräftigt, Israel sei entschlossen, "den Iran am Bau von Atomwaffen zu hindern". "Wenn wir das sagen, dann meinen wir das auch. Und wir erwarten, dass andere das auch meinen", sagte Barak am Sonntag bei der Sicherheitskonferenz in München wohl in Blickrichtung auf Barack Obama.

Wo bleibt Asien?

Die wechselseitigen Bekräftigungen von Freundschaft und Pakttreue der nordatlantischen Partner gehören zum artig eingeübten Ritual der Münchner Sicherheitskonferenz. So war es auch in diesem Jahr, als Joe Biden das Ego der Europäer mit sanften Worten streichelte.

Doch was in München ebenfalls auffiel: Nur eines der insgesamt 13 Diskussionspanels an den drei Tagen der Konferenz beschäftigte sich mit dem Aufstieg Asiens. Ein Mangel: Denn wenn in ferner Zukunft die Chronik des 21. Jahrhunderts geschrieben werden wird, wird der Konflikt in Mali bestenfalls einen Absatz hergeben, der Arabische Frühling, der Konflikt in Syrien oder der Atomstreit vielleicht ein Kapitel. Doch drei Viertel dieser Chronik des 21. Jahrhunderts werden sich mit dem Aufstieg Asiens, den neuen Mächten China und Indien zu beschäftigen haben, den aufstrebenden Mächten Malaysia, Indonesien, Vietnam oder Philippinen. Und sollte eines Tages ein Konflikt in großem Stil auf der Koreanischen Halbinsel entflammen, dann wäre das eine kaum zu bewältigender, internationaler Konflikt.

Syrien, Mali, Iran - das ist Regionalpolitik. China, Indien, die Spannungen auf der Koreanischen Halbinsel - das ist Geopolitik. Ob die 50. Sicherheitskonferenz im Jahr 2014 dieser Erkenntnis wohl Rechnung trägt?