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Für Erdogan ist Zionismus ein Verbrechen gegen Menschlichkeit

Von Veronika Eschbacher

Politik

Israel und USA reagieren entsetzt auf die Aussagen des türkischen Premiers.


Wien/Ankara. Wien war diese Woche in helle Aufregung versetzt. Fünf Staats- und Regierungschefs, 25 Minister aus aller Welt und UNO-Generalsekretär Ban Ki-Moon gaben sich auf der Konferenz der Allianz der Zivilisationen (UNAOC) ein Stelldichein. Zwei Tage lang wurde intensiv darüber diskutiert, wie nach dem 11. September 2001 weltweit religiöse und kulturelle Toleranz gefördert werden kann. Für den österreichischen Außenminister Michael Spindelegger war es "eine große Genugtuung", dieses Forum als Gastgeber abhalten zu können.

Die Suppe versalzen hat ihm jedoch der türkische Regierungschef Recep Tayyip Erdogan mit seiner Eröffnungsrede. "So wie das für Zionismus (die israelische Staatsideologie, Anm.), Antisemitismus und Faschismus gilt, ist es unerlässlich, Islamophobie als Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu betrachten", sagte der Premier und löste damit heftige Kritik aus. Die UNO, die USA und Israel verurteilten am Freitag die Zionismus-Aussage scharf. Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu sprach von einer "dunklen und lügnerischen Erklärung". Das Weiße Haus in Washington verurteilte die Beschreibung des Zionismus als Verbrechen gegen die Menschlichkeit als "beleidigend und falsch", eine Schelte für Erdogan folgte auch beim Besuch des US-Außenministers John Kerry am Freitag in Ankara.

Ähnlich äußerte sich ein Sprecher von Ban Ki-Moon. Der UN-Generalsekretär war während der Rede Erdogans nur wenige Meter von ihm entfernt gesessen. Ban bedauere, dass solche "verletzenden und spaltenden Bemerkungen" bei einem Treffen gemacht worden seien, bei dem es um verantwortliche Führung ging. Wenn die Übersetzung der Rede korrekt gewesen sei, "war es nicht nur falsch, sondern widerspricht den Prinzipien der Allianz der Zivilisationen", so der UN-Sprecher. Die Korrektheit der Übersetzung wurde mittlerweile bestätigt.

Riskante Äußerungen

Der türkische Premier war mit einer riesigen Entourage nach Wien gereist. Von den 270 Medienvertretern, die für die UNAOC-Konferenz akkreditiert waren, kamen 70 aus der Türkei. Der türkische Fernsehsender TRT war der einzige, der live aus Wien übertrug.

Die Beziehungen zwischen Israel und der Türkei sind angespannt, seit 2010 israelische Soldaten ein türkisches Schiff mit Kurs auf den Gaza-Streifen gestürmt hatte und dabei neun Türken getötet wurden. Anti-israelische Äußerungen tätigte Erdogan aber auch zuvor. So hatte er Israel als "terroristischen Staat" bezeichnet, der "Akte des Terrors" verübte oder Israel eine "ethnische Säuberung" im Gazastreifen vorgeworfen.

Das Forum in Wien wird dennoch als Erfolg gewertet. Laut Außenamt - das die Aussage Erdogans ebenfalls scharf verurteilte - sei etwa Ban "jedes Mal beeindruckt, wie gut alle in Wien miteinander reden können." Österreich könne eine lange Erfolgsgeschichte als Ort der Begegnung vorweisen. Spindelegger erklärte, dass Österreich im Syrien-Konflikt auch als Ort für Gespräche zur Einbindung der syrischen Zivilgesellschaft zur Verfügung stehe.