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Tagespolitik statt Idealismus

Von WZ-Korrespondent Patrick Böhler

Politik

Einstmals verbotene Bewegung macht sich startklar für die nächsten Wahlen.


Rangun. Das einst verbotene Symbol der Opposition in Myanmar, eine rote Flagge mit dem goldenen Pfau, ist in den meisten
Taxis Ranguns neben der Staatsflagge zu sehen. So auch in jenen Taxis, die in den letzten Tagen hunderte Menschen frühmorgens zum Royal Rose Hotel am Rand der ehemaligen Hauptstadt Myanmars (Burmas) brachten.

Fast 900 Delegierte der Nationalen Liga für Demokratie (NLD) aus allen Landesteilen Myanmars haben sich zu ihrem ersten Parteitag seit der Parteigründung vor einem Vierteljahrhundert hier getroffen und großteils ihre bisherige Führung bestätigt. So auch Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi, die mit einem fast einstimmigen Votum an der Parteispitze bleibt.

Als diese beim Parteitag den Veranstaltungssaal betritt, wird kurz geklatscht. "Wir lieben diese Partei", sagt Khan Mying Lwin, ein Delegierter aus Panglong. "Wir sind hier einzig wegen Suu Kyi hier. Sie ist die Hoffnung des Landes."

Khan Mying Lwin ist Mittelschuldirektor. Er wurde letztes Jahr Parteimitglied, als die NLD-Partei ein Regionalbüro in seiner Stadt eröffnete. "Wir hatten all diese Veränderungen, weil es einfach nicht mehr wie früher weitergehen konnte."

Für Suu Kyis Partei ist dies ein historischer Moment, der die endgültige Abkehr des südostasiatischen Landes von Militärdiktatur und internationaler Isolation besiegeln sollte. Seit die 67-jährige aus jahrzehntelangem Hausarrest entlassen und letztes Jahr als Abgeordnete ins Unterhaus von Myanmar gewählt worden ist, wurde ihr Idealismus schnell vom politischen Alltag eingeholt.

Es geht um einflussreiche Positionen für die NLD

"Wir hatten Beschwerden, dass die Partei zu hierarchisch geworden sei", sagt sie zu den fast 900 Delegierten. Und sie schiebt eine Mahnung hinterher. "Wie dürfen nicht vergessen, dass die Partei nicht eine Partei für uns selbst ist." Das Publikum der Lady, wie Suu Kyi in Myanmar genannt wird, sind großteils wohlhabende Männer, die ihr still zuhören und verhalten applaudieren. Einer fuhr im Jaguar an. Die Öffentlichkeit ist ausgeschlossen.

Es geht um einflussreiche Positionen in Ministerien und Abgeordnetensitze in beiden Häusern des Parlaments, sollte die NLD die nächsten nationalen Wahlen im Jahr 2015 gewinnen. "Kämpft nicht um Stühle, die es noch nicht gibt", sagt Suu Kyi.

"Die Regierung hat bisher auf sehr schlaue Tricks zurückgegriffen, wir sind uns nicht sicher, ob wir tatsächlich gewinnen werden", sagt Khun Mying Lwin. "Es schaut im Moment alles etwas zu schön aus."

So stellte auch der UN-Sonderberichterstatter für Myanmar, Tomas Ojea Quintana, kürzlich die politischen Veränderungen im Land in Frage. "Es besteht ein großer Unterschied zwischen den Reformen an der Spitze und der tatsächlichen Implementierung."

Während sich die Oppositionsführung im Royal Rose Hotel traf, verbreiteten sich Gerüchte zu Veränderungen in der Regierungspartei USDP. Parlamentsabgeordnete erzählten hinter vorgehaltener Hand, dass Präsident Thein Sein bald sein Amt als Vorsitzender der Regierungspartei an Thura Shwe Mann abgeben werde, den ehemaligen Generalstabschef der Militärjunta und derzeitigen Unterhauspräsidenten. Shwe Mann hat gerade eine Reise durch Myanmar gemacht und hatte dabei ein offenes Ohr für Kritik aus der Bevölkerung; das hat ihn sehr beliebt gemacht. "Nur er hat eine Chance gegen Suu Kyi," sagt ein Abgeordneter.