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Europäische Skeptiker ändern Washingtons Kurs nicht

Von Michael Schmölzer

Politik

Analyse: London fällt als Bündnispartner aus, doch ein Angriff ist Frage des Prinzips.


Washington/London. Das britische Parlament hat Premier David Cameron einen Strich durch die Rechnung gemacht, doch US-Präsident Barack Obama will sich davon nicht beirren lassen. In Washington heißt es, man wolle zwar weiterhin eine möglichst breite Koalition schmieden, die einen Militärschlag gegen Bashar al-Assad unterstützt. Letztlich ist man aber nicht auf Verbündete angewiesen. Denn: Barack Obama sei der Überzeugung, dass im Fall Syrien "vitale Interessen" der USA auf dem Spiel stünden, so eine Sprecherin der Weißen Hauses. "Er glaubt, dass Länder, die internationales Recht für chemische Waffen verletzen, zur Verantwortung gezogen werden müssen."

Militärisch können die USA ohnehin autonom handeln. Vier mit Marschflugkörpern bestückte Zerstörer kreuzen im Mittelmeer, es gibt genug Nato-Stützpunkte in der Umgebung, von denen US-Kampfjets starten können. Zudem soll es sich im Fall Syrien nur um einen kurzen, schmerzhaften Schlag und keinesfalls um ein langes militärisches Engagement handeln. Friedensnobelpreisträger Obama hat klargemacht, dass internationale Billigung dann zweitrangig ist, wenn aus der Sicht Washington Grundlegendes auf dem Spiel steht. Im betreffenden Fall geht es um die Glaubwürdigkeit als Weltmacht Nummer eins. Obama hat vor einem Jahr den Gebrauch von Massenvernichtungswaffen deutlich als "rote Linie" markiert, jetzt muss er handeln. Von einem ablehnenden britischen Parlament, skeptischen Deutschen und Polen lässt sich der US-Präsident bei seiner Mission nicht abhalten.

Obama ist der Gedanke an Krieg unsympathisch

In diesem Punkt unterscheidet sich der amtierende Präsident nicht von seinem Amtsvorgänger George W. Bush, dem Mann mit dem Cowboy-Image. Sonst aber könnte der Unterschied nicht größer sein: Während Bush mit großer Entschlossenheit in den Krieg zog, zögert Obama bis zum letztmöglichen Zeitpunkt. Jetzt ist er auch aus Sicht des Demokraten unumgänglich geworden, doch wird deutlich, wie unsympathisch Obama der Gedanke eines weiteren Krieges im Grunde ist. Zumal Syrien in einer politisch hochsensiblen Region liegt: Die Gefahr, dass die USA in ein Wespennest stechen, ist groß.

Obama will vor allem die Fehler des Republikaners aus Texas vermeiden, der in Afghanistan und im Irak einmarschiert ist, ohne die Konsequenzen ausreichend in Betracht gezogen zu haben. Die sind bekannt: In beiden Ländern wurden weder Frieden noch Wohlstand noch Frauenrechte noch Demokratie geschaffen, wie das eigentlich vorgesehen war. "Militärschlag, aber was dann ..." lautet die Frage, die sich Obama seit Tagen stellt und die ihn zögern lässt, den Befehl zum Angriff zu geben. In der Tat ist die Situation in Syrien derart verfahren, dass ein Ausweg kaum erkennbar ist. Möglicherweise wollen die Strategen in Washington auf eine militärische Schwächung Assads hinarbeiten, um den Diktator, oder einen anderen Vertreter des Regimes, leichter an den Verhandlungstisch bringen zu können. Washington hat klargemacht, dass man sich eine Zukunft Syriens mit Assad nicht vorstellen kann.

Wann genau Obama losschlagen lässt und wie umfangreich der Angriff sein wird, weiß außer den US-Planungsstäben niemand. Österreichs Außenminister Michael Spindelegger, der am Donnerstag in Wien mit UN-Generalsekretär Ban Ki-moon gesprochen hat, ist der Ansicht, dass der Angriff bereits dieses Wochenende erfolgt (siehe Seite 5).

US-Außenminister John Kerry hat am Freitag klar gemacht, dass man von den Untersuchungsergebnissen der UN-Inspektoren keinen Aufschluss erwarte. Die UNO habe nicht das Mandat, zu beurteilen, wer in Syrien für die Giftgasangriffe verantwortlich sei. Kerry präsentierte "schlüssige Beweise", dass das Regime Assad hinter dem letzten Angriff stehe. Dabei seien mindestens 1429 Menschen getötet worden, darunter 426 Kinder. Die US-Geheimdienste hätten nachgewiesen, dass die Giftgas-Raketen aus Gebieten abgeschossen worden wären, die von der syrischen Armee gehalten werden. Niedergegangen seien die Geschosse ausschließlich in Rebellen-Gebiet.

Kerry sagte zudem, er wisse, dass die US-Bevölkerung kriegsmüde sei. Er versprach, dass kein US-Soldat seinen Fuß auf syrisches Territorium setzen und dass der Einsatz von limitierter Dauer sein werde. Es gibt mithin kaum Zweifel, dass die USA demnächst losschlagen werden.