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"Die Tamilen sind sehr glücklich"

Von WZ-Korrespondentin Padma Rao aus Colombo

Politik

Rajapaksa stellt sich erstmals seit vier Jahren den Fragen westlicher Medien.


Er hat einen der längsten und blutigsten Bürgerkriege beendet: Sri Lankas Präsident Mahinda Rajapaksa. Seit den 1980er Jahren kämpften auf dem Inselstaat im Indischen Ozean Rebellen der hinduistischen Volksgruppe der Tamilen gegen die Zentralregierung, die von der buddhistischen Bevölkerungsmehrheit der Singhalesen dominiert wird. Doch die Militäroperation im Mai 2009, im Zuge derer die Rebellenorganisation Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) endgültig ins Aus gedrängt wurde, sehen viele Beobachter als Kriegsverbrechen an - über 30.000 Zivilisten sollen dabei ums Leben gekommen sein. Am heutigen Samstag dürfen die Tamilen zum ersten Mal seit fast 25 Jahren eine Regionalregierung wählen. Der studierte Jurist und seit 2005 Staatschef Rajapaksa, dessen Regierungsstil bisweilen als autoritär bezeichnet wird, stellt sich erstmals seit vier Jahren Fragen westlicher Medien.

"Wiener Zeitung": Herr Rajapaksa, im Mai 2009 ist es Ihrer Regierung und Armee gelungen, etwas zu tun, was alle früheren Regierungen in Sri Lanka versäumt hatten: dem brutalen Bürgerkrieg ein Ende zu setzen und die Rebellenorganisation Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) zu dezimieren. Was haben Sie anders gemacht?Mahinda Rajapaksa: Es war reine Entschlossenheit. Das ganze Land hatte den Krieg erlebt - aber ich hatte den Vorteil gegenüber jüngeren Generationen, ihn von seinem Beginn an zu beobachten. Immer wenn die LTTE schwach war, wollte sie einen Waffenstillstand. Dann griff immer die internationale Gemeinschaft ein, die LTTE wurde wieder leistungsfähig und attackierte überall wieder. Also hatten wir dieses Muster erkannt. Unsere Armee wusste auch, dass sie die LTTE ohne politische Einmischung besiegen konnte. Meine Regierung hat sich zurückgehalten, so kam der Erfolg.

Seit dem Ende des Krieges im Mai 2009 hat sich die internationale Gemeinschaft auf die letzte und brutalste Phase konzentriert, während der angeblich über 30.000 Zivilisten im Kreuzfeuer starben. Die srilankische Armee (SLA) wird Menschenrechtsverletzungen bezichtigt.

Aber warum prüfen sie nur die letzte Phase? Warum nicht alle 30 Jahre des Krieges, während dessen die LTTE empörende Menschenrechtsverletzungen - wie Zwangsrekrutierungen von Kindern als Selbstmordkommandos - begangen hat? Warum flüchteten so viele Zivilisten zu uns herüber, wenn unsere Armee so mörderisch war? Sie wären ja beim LTTE-Führer Velupillai Prabhakaran geblieben. Wir haben der internationalen Gemeinschaft jeglichen Beweis dafür vorgelegt, dass während der letzten Kriegsphase tausende arme Tamilen auf jener Flucht zu uns selbst von der LTTE erschossen wurden.

Viele einflussreiche Mitglieder der gut 900.000 Exil-Tamilen haben die LTTE finanziert und bewaffnet. Noch immer halten Flüchtlinge, vor allem in Europa, den Separatismus im fernen Sri Lanka am Leben. Wie gehen Sie dieses Problem an?

Es ist nicht nur die Diaspora, sondern auch die Menschen, die in den letzten Jahren selbst in Sri Lanka Verbrechen wie Morde begangen und erst dann in diesen Ländern Asyl erhalten haben. Das haben wir sehr oft mit den Aufnahmeländern diskutiert. Unter anderem werfen sie uns das Verschwinden von gut 40.000 Tamilen vor. Leider können wir von hier nicht verfolgen, wer auf diese Weise das Land verlassen hat - nur, dass viele nach Kanada und Europa, darunter auch nach Österreich, geflüchtet sind.

Was wäre Ihre Nachricht an jene Aufnahmeländer?

Ich sage: Bitte seien Sie fair und objektiv zu uns. Kommen Sie bitte nicht zu Schlussfolgerungen, die auf einseitigen "Beweisen" basieren. Ich verstehe, dass jene Regierungen unter Druck stehen, weil viele Tamilen inzwischen Staatsbürger und einflussreiche Wähler sind, Politiker fördern und sie dadurch verpflichten, in jedem verfügbaren internationalen Forum den Separatismus in Sri Lanka am Leben zu halten. Das ist der Kern des Problems. Von meiner Warte aus kann ich nur warnen: Eines Tages werden diese Länder selbst ein Problem in Gestalt der Tamilen bekommen.

Die UN-Flüchtlingskommissarin Navi Pillay - selbst tamilischstämmige Südafrikanerin - ist eine Ihrer Hauptkritikerinnen. Frau Pillay war kürzlich in Sri Lanka und erhielt Zugang zu allen, die sie treffen wollte. Nach ihrem Abflug aber wurden angeblich ihre Gesprächspartner von Ihren Sicherheitsdiensten bedrängt.

Während ihres kurzen Besuchs bei mir schien sie glücklich und sagte wenig. Sie hatte bis dahin schon alles wahrgenommen, was wir in dem ehemaligen Kriegsgebiet in knapp über vier Jahren geleistet hatten. Wir fragten sie nachher über diese angebliche Belästigung, aber sie sagte kein Wort. Hätte sie sich beschwert, hätte ich sofort Maßnahmen ergriffen. Die Wahrheit ist: Auch dies ist eine Kampagne, die von Sympathisanten der LTTE gestartet wurde. Es gibt absolut keinen Beweis. Nun frage ich Sie, wenn wir die Leute angreifen wollten, hätten wir Frau Pillay sie überhaupt treffen lassen? Die oppositionelle und bisher LTTE-nahe Tamil National Alliance (TNA), die am kommenden Samstag bei den Provinzwahlen im Norden antritt, hat nun diese neueste Anschuldigung im Wahlkampf aufgegriffen. Aber so sind Oppositionspolitiker in allen Ländern.

Wir haben vergangene Woche die nördliche Halbinsel Jaffna zu einem Preis von etwa 80 Millionen Euro an das nationale Stromnetz angeschlossen. Warum geben wir das Geld aus? Weil wir das Gebiet entwickeln und den Menschen dort - die ihre Infrastruktur selbst zerstört hatten - alles wieder anbieten wollen.

Die ehemals LTTE-nahe Tamil National Alliance (TNA) will weitgehende Unabhängigkeit für den Norden. Kritiker sehen darin die alte Forderung eines eigenen Tamilenstaates. Und Sie?

Das ist nichts Neues. Die TNA hat immer wieder diese Taktik angewandt, um unschuldige Tamilen aufzuregen und ihre Wahlstimmen zu erhalten. Früher forderte die TNA die Tamilen auf, die LTTE als ihre wahren Vertreter zu akzeptieren. Jetzt sagt sie praktisch das Gleiche, nur auf eine andere Art, da es die LTTE nicht mehr gibt. Das ist ein deutlicher Versuch der TNA, das Land zu spalten. Aber ich glaube nicht, dass andere Länder ihnen dabei helfen werden. Nicht mal unser Nachbar Indien, dessen riesige eigene Tamilenbevölkerung ihren srilankischen Glaubensbrüdern gegenüber sehr loyal ist.

Ist die LTTE wirklich dezimiert? Oder gibt es doch noch den Wunsch nach Abspaltung unter den Tamilen?

Die Mehrheit, die in Sri Lanka lebt, hat keine solchen Gefühle. Die Tamilen hier sind sehr glücklich. Sie wollen nur in einem friedlichen Land leben und ihren Lebensunterhalt verdienen. Ich fürchte vielmehr jene Tamilenpolitiker, die noch immer mit der LTTE sympathisieren und dieses Land aufteilen wollen. Sie könnten versuchen, die jüngere Generation zu vergiften.

Wegen des Drucks indischer Tamilen haben sich die bisher engen Beziehungen zu Indien verschlechtert. Inzwischen genießt Ihr Land ein engeres Verhältnis zu China, das für Sie Autobahnen und Häfen gebaut hat und Sie künftig mit Satellitentechnologie unterstützt. Indien wiederum ist wegen möglicher Spionage und einer wachsenden Bedrohung Chinas im Indischen Ozean sehr besorgt.

Wer wird Sri Lanka entwickeln? Sollte Entwicklung mein Ziel sein, oder soll ich lieber im Namen der guten Beziehungen zu allen Ländern nichts tun? Natürlich nehme ich Hilfe von dem, der sie anbietet. Andererseits hat sich unsere Beziehung zu Indien nicht so sehr geändert. Großhandel in Sri Lanka - sei es Kleidung, Gold oder Saris - ist fest in indischen Händen. Insgesamt 43 CEOs von multinationalen Firmen in unserem Land sind Inder. Indiens Befürchtungen sind unbegründet. Wir werden keinem Land erlauben, von unserem Boden aus in irgendeiner Weise gegen Indien vorzugehen. Besorgniserregend sind nur die indischen Tamilen. Viele von ihnen versuchen, den Separatismus in Sri Lanka weiter zu schüren.

Wie wollen Sie sicherstellen, dass die Wahlen am Samstag frei und fair sind? Schon jetzt gibt es Beschwerden, dass die dort anwesenden Truppen die Wähler einschüchtern.

Mehr als 20 Wahlbeobachter aus Südasien aber auch aus Commonwealth-Ländern sind bereits in Jaffna. Ich will ein für alle Mal sagen: Die Armee nimmt nicht an den Wahlen teil, sie sorgt nur für Sicherheit. Wie könnte ich mein Versprechen von den Wahlen am 21. September einhalten, wenn Sicherheit nicht gewährleistet ist?

Zahlreiche Familienangehörige von Ihnen sind in hohen Regierungsstellen. Das weckt Zweifel am demokratischen Charakter der Regierung.

Es ist nicht das erste Mal, dass Rajapaksas im staatlichen Dienst sind. Wir sind bereits seit den 1940er Jahren in der Politik und im Parlament vertreten. Die Familienmitglieder in Machtpositionen heute wurden alle dorthin gewählt. Ferner: Welches Land in dieser Region hat keine politischen Familien? Auch in Indien gibt es solche.

Sie selbst sprechen fließend Tamil. Wie kommt das?

Ich habe relativ spät damit angefangen, aber unter einem ausgezeichneten Lehrer. Es hilft enorm, auf unsere tamilischen Mitbürger richtig einzugehen. Viele Abgeordnete aus dem Süden halten jetzt ihre Reden im Norden in Tamil und es freut mich, dass ich den Trend ausgelöst habe.