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Die neuen Robin Hoods

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

New Yorker Bürgermeister setzt Kurs für Linksliberale.


New York/Washington. Bill de Blasio ist es gewohnt, dass die Leute zu ihm aufschauen. Der gelernte Anwalt misst 1,96 Meter. Wenn er, wie jüngst im Rahmen seiner zum Jahreswechsel erfolgten Angelobung als neuer Bürgermeister der Stadt New York, in der Menge badet, hat das nicht zuletzt deshalb etwas ganz und gar Erlöserhaftes. Selbst Bill Clinton, der beliebteste Bannerträger des Linksliberalismus im Land, der de Blasio den Amteid abnahm, musste dem Höhenunterschied Tribut zollen. Selber kein kleiner Mann (Clinton misst 1,88), wirkte der Ex-Präsident bei der Zeremonie wie ein Uniprofessor, der einem ehemaligen Studenten, der ihn in mancher Hinsicht überflügelt hat, eine Auszeichnung verleiht.

Tatsächlich bot der Einzug von de Blasio in Gracie Mansion, dem traditionellen Sitz des New Yorker Bürgermeisters, dem demokratischen Establishment wie den Repräsentanten des linken Randes der Partei ausreichend Anlass zur Profilierung. "Der Lange" gilt schließlich seit seiner überlegen gewonnenen Wahl (rund zwei Drittel der Wahlberechtigten stimmten für ihn) auch auf nationaler Ebene als Hoffnungsträger.

Vertreter des linken Flügels

De Blasio steht für eine neue, für die Verhältnisse der Partei nahezu linkspopulistische Politik: Rauf mit den Steuern für Reiche, höhere Abgaben auf den Besitz von Häusern, Grund und Boden, Investitionen in die Vorschulbildung, die öffentliche Hand als Garant für leistbare Wohnungen für Arme und Mittelschicht, Legalisierung von Marihuana, et cetera, et cetera. Alles bloß Rhetorik? Mitnichten, betonte de Blasio im Rahmen seiner Antrittsrede, das alles sei ihm ganz ernst und dass ihm schon klar sei, dass das alles nicht so leicht gehen werde, aber dass er "alles dafür tun werde, dass die Einkommensschere nicht weiter auseinandergeht".

Nun ist der Spielraum eines Bürgermeisters in den USA freilich eingeschränkt, auch wenn er der der größten Stadt des Landes ist. Dem Vernehmen nach wird eine Mehrheit im Parlament des Bundesstaats New York, wo die auch für New York City entscheidenden Gesetze gemacht werden, alles dafür tun, um de Blasios Pläne zu sabotieren. Dort bilden nicht erst seit gestern Republikaner und rechte Demokraten unheilige Allianzen.

Aber vielleicht - und so dürfte auch insgeheim das Kalkül des 52-Jährigen lauten - ist das gar nicht so wichtig, solange er sich weiterhin als Robin Hood in einer Welt verkaufen kann, die von den Sheriffs von Nottingham regiert wird: Als führender Kopf einer Art von "neuen Linken" innerhalb der Demokratischen Partei, der langsam aber sicher den Boden aufbereitet für eine kämpferische Politik, die mit dem, was derzeit in Washington passiert, nichts mehr zu tun hat.

Ruck nach links

Der neue, durch de Blasio an den Tag gelegte Ton hat viele Väter und Mütter und eine lange Vorgeschichte. Letztere beginnt mit dem Zeitpunkt des Amtsantritts von Barack Obama und zieht sich bis zur bisher letzten, in letzter Sekunde abgewendeten Staatskrise vom vergangenen Herbst, als den USA wegen der Halsstarrigkeit der Ultra-Rechten im Kongress sogar der Zahlungsausfall drohte.

Spätestens diese Episode ließ viele bisher sich durchaus moderat gebende Demokraten zur Einsicht kommen, dass es angesichts der normativen Kraft des politisch Faktischen schlicht keinen Sinn mehr hat, mit den Republikanern den Dialog zu suchen. Jetzt, nachdem der Budget-Streit bis auf weiteres erledigt und die als "Obamacare" bekannte staatliche Gesundheitsversicherung trotz aller Anlaufprobleme Wirklichkeit geworden ist, hat diese Strömung die Erkenntnis gewonnen, dass jetzt endlich Schluss sein müsse mit der Suche nach Kompromissen mit Leuten, die sich jeglichen Argumenten verschließen.

Vor dem Auftritt de Blasios auf der nationalen Bühne galt allen voran Elizabeth Warren als Lichtgestalt dieser neuen Bewegung. Die Wahl der Senatorin aus Massachusetts, die in den Jahren zuvor - gegen enorme Widerstände aus der Wirtschaft - die Einrichtung einer nationalen Agentur für Konsumentenschutz vorangetrieben hatte, bildete das erste, weit über die Grenzen ihres Bundesstaats hinaus gehende Signal dafür, dass die Generation "Occupy Wall Street" den Marsch durch die Institutionen angetreten hat. Wie lange es dauern wird, bis diese neuen Linkspopulisten innerhalb der Demokraten eine Mehrheit finden, lässt sich freilich noch nicht sagen.

Nur der Zeitpunkt des ersten Lackmustests steht bereits jetzt fest: Sollte sich Hilary Clinton gegen eine Kandidatur bei den Präsidentschaftswahlen 2016 entscheiden, könnte sich Elizabeth Warren im Rahmen von Vorwahlen fürs höchste Amt im Staat aufstellen lassen. Die Stimmen jener Wähler, die auch mithalfen, Bill de Blasio ins Bürgermeisteramt zu hieven, wären ihr jetzt schon gewiss. Ob die von Leuten wie ihnen repräsentierte Politik freilich für eine landesweite Mehrheit ausreichen würde, ist eine ganz andere Frage.