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Mit vorgehaltener Waffe

Von Michael Schmölzer

Politik

Assads Gegner haben das Vertrauen | in den Westen verloren.


Moskau/Washington. Am kommenden Mittwoch soll in Montreux die Syrien-Friedenskonferenz starten; der Konflikt tobt seit 2011, hat rund 130.000 Tote gefordert, Millionen sind auf der Flucht, das Land versinkt in Schutt und Asche. Die USA und Russland verlieren jetzt zunehmend die Geduld, sie wollen nach Monaten fruchtloser Bemühungen endlich Fortschritte sehen. Beide Großmächte erhöhen den Druck auf die Kriegsgegner, man geht arbeitsteilig vor: Washington kümmert sich um die Rebellen, während Moskau das syrische Regime und dessen Verbündeten Iran ins Gebet nimmt.

Ob die Konferenz über die Bühne gehen kann, war bis zuletzt nicht zu 100 Prozent klar - auch wenn der UN-Sondergesandte Lakhdar Brahimi mit Hochdruck an der Verwirklichung arbeitet. Im Montreux laufen jedenfalls die Vorbereitungen, die Stadt am Genfer See wird bereits zur Festung ausgebaut.

Islamisten keine Alternative

Das Sorgenkind ist die syrische Opposition. Das größte Bündnis, die Nationale Koalition, die vom Westen und den Arabischen Golfstaaten unterstützt wird, ist tief zerstritten. Sie will sich erst in allerletzter Sekunde einigen, ob man den Flieger Richtung Schweiz besteigt oder nicht. US-Außenminister John Kerry sieht das mit wachsender Unruhe, fordert die Gegner Assads dringend auf, nach Montreux zu kommen. Das sei der einzige Weg, die eigenen Ziele zu erreichen. Washington drohte der Nationalen Koalition zuletzt sogar, die Unterstützung komplett einzustellen. Die Ankündigung wird von den Assad-Gegnern aber nicht besonders ernst genommen - wer wäre die Alternative, fragen sie. In der Tat bleiben sonst nur noch Islamisten, die in Syrien einen Gottesstaat errichten wollen, oder die Vertreter des nationalen Koordinationskomitees NCC. Diese werden von Assad toleriert und gelten daher als Vasallen des Machthabers. Zudem haben sie bereits angekündigt, nicht in die Schweiz kommen zu wollen.

Immer deutlicher wird klar, dass die Beziehung des Westens zu den Rebellen schwer gestört ist. Die Assad-Gegner misstrauen den USA spätestens seit letztem Sommer, als der angekündigte US-Militärschlag gegen Syrien abgeblasen wurde. Nach dem Versprechen Assads, auf sein Giftgas-Arsenal verzichten zu wollen, war von den Luftschlägen keine Rede mehr. Die militärisch unterlegenen Rebellen hatten fix damit gerechnet, nun fühlt man sich verraten und allein gelassen. Dabei hatten CIA-Agenten bereits gemeinsam mit Rebellen die militärischen Ziele besprochen, die die US-Marschflugkörper zerstören sollten. Die Opposition vermutet jetzt, dass Washington das alte Regime im Sattel lassen will und fürchtet, im Interesse eines Friedensschlusses rücksichtslos übergangen zu werden.

Während sich bei der Opposition Enttäuschung, Wut und Hoffnungslosigkeit breitmachen, ist der Stern Bashar al-Assads stetig im Steigen. Der syrische Machthaber war bereits totgesagt, jetzt feiert er seine wundersame Auferstehung. Zunächst hat er der Zerstörung seines Chemiewaffen-Arsenals zugestimmt - was von den USA als großer Erfolg verkauft wird, gleichzeitig aber die Vorstellung von Assad als einem Mann mit Handschlagqualität transportiert. Dazu kommt, dass Syriens Außenminister Walid al-Muallem am Freitag in Moskau einem Waffenstillstand in Aleppo zugestimmt hat. Auch sollen Gefangene ausgetauscht werden. Russland und die USA haben gemeinsam ein derartiges Abkommen als ersten Schritt auf dem Weg zu einer Friedenslösung beworben. Deutlich wird, dass sich Russland mit seinem Schützling ungleich leichter tut als die Vereinigten Staaten mit ihrem. Damaskus war schnell von den Vorteilen zu überzeugen, die eine Preisgabe der Chemiewaffen-Arsenale mit sich brächte. Jetzt ist es der russischen Diplomatie gelungen, Assad auf den Pfad des Friedens zu führen - zumal das Angebot nicht mehr ist als ein Lippenbekenntnis. Zuletzt vereinbarte Waffenstillstände hielten jedenfalls nicht. Immerhin konnten Helfer jetzt Zutritt zu zahlreichen von der Armee eingekesselten Zivilisten in Damaskus erlagen und dort humanitäre Hilfe leisten.

Zukunft ohne Assad

Das Regime in Damaskus kann sich umso leichter großzügig zeigen, als es von einer Position der militärischen Stärke aus agiert. Auch auf dem Schlachtfeld war Assad von vielen Seiten bereits totgesagt worden, die Rebellen waren lange Zeit auf dem Vormarsch. Nun kann sich die Armee zurücklehnen und zusehen, wie verfeindete Rebellen-Einheiten einander abschlachten. Bei den jüngsten Kämpfen zwischen islamischen Extremisten der Isil und moderaten Kämpfern soll es mehr als 1000 Tote gegeben haben. Dieser Krieg im Krieg schwächt die Rebellen, sodass die Armee relativ problemlos Terrain zurückerobert, Ort um Ort fällt wieder in die Hände des Regimes.

Dass Assad nach einem Friedensschluss politisch eine Rolle spielen wird, ist allerdings so gut wie ausgeschlossen. Kerry wird nicht müde zu betonen, dass die Mitglieder einer zu schaffenden Übergangsregierung - das ist das Ziel der Bemühungen - von beiden Seiten akzeptiert werden müssen. "Jede Person, die von einer Seite nicht akzeptiert wird - ob Assad oder ein Mitglied der Opposition -, kann kein Teil der Zukunft sein." Damit ist für Assad, der von Washington als Kriegsverbrecher bezeichnet wurde, kein Platz. Und Russland hat in der Vergangenheit zu verstehen gegeben, dass ein Syrien ohne Assad vorstellbar sei.

Der Iran sieht das anders und hält demonstrativ an dem syrischen Präsidenten fest. Deshalb wird Teheran nach derzeitigem Stand der Dinge nicht direkt an der Friedenskonferenz teilnehmen. Im Abkommen "Genf I" ist die Schaffung einer von allen akzeptierten Übergangsregierung vorgesehen. Die Akzeptanz dieser Übereinkunft ist Voraussetzung für die Teilnahme am Treffen von Montreux. Soll es Frieden in Syrien geben, wird man aber an Teheran nicht vorbeikommen. Zu groß ist das Gewicht der Iraner, die Assad mit Geld, Waffen und Soldaten versorgen.