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Die Powerfrau ist zurück

Von WZ-Korrespondent Tobias Käufer

Politik

Die äußerst populäre Sozialistin Michelle Bachelet wird zum zweiten Mal als Präsidentin angelobt.


Santiago. Gleich zum Auftakt ihrer zweiten Präsidentschaft bekommt es Michelle Bachelet mit den Tücken der lateinamerikanischen Politik zu tun. Viel Prominenz hatte sich in Santiago de Chile eingefunden, um der charismatischen Politikerin bei ihrer Vereidigung am Dienstag einen großen politischen Rahmen zu bieten. Nach den kühlen Beziehungen der vergangenen Jahre unter dem konservativen chilenischen Staatschef Sebastián Piñera stattet Brasiliens Staatschefin Dilma Rousseff dem Land zur Amtseinführung von Bachelet erstmals einen Besuch ab.

Die USA schickten US-Vizepräsident Joe Biden, Venezuelas Präsident Nicolás Maduro dagegen blieb als einer der wenigen südamerikanischen Präsidenten der Zeremonie fern. Er sagte kurzfristig ab. Stattdessen reiste Außenminister Elias Jaua nach Santiago. Denn es gilt nicht nur die Amtseinführung zu feiern. Das Zusammenkommen bietet auch Gelegenheit für eine Venezuela-Sondersitzung der südamerikanischen Chefdiplomaten in Chile. Elias Jaua wird die Position Caracas vertreten. Venezuela gilt als Pulverfass des Kontinents. Seit Mitte Februar sind bei den Protesten in dem Land über 20 Menschen ums Leben gekommen. Erst am Sonntag war im westlichen venezolanischen Bundesstaat Mérida eine chilenische Staatsbürgerin erschossen worden, die offenbar Straßenbarrikaden wegräumen wollte.

Bachelet konnte mit Chavez, wird mit Pinochet verglichen

Die chilenische Linkspolitikerin Bachelet, die während ihrer ersten Amtszeit (2006 bis 2010) über gute Kontakte zu Venezuelas inzwischen verstorbenen Revolutionsführer Hugo Chavez verfügte, hat nun ihre Vermittlungsdienste angeboten. Das ist riskant angesichts der festgefahrenen Situation. Andererseits ist Bachelet eine der wenigen Figuren der lateinamerikanischen Politik, die überhaupt das Format und das Vertrauen genießt, in der verzwickten innenpolitischen Krise Venezuelas vermitteln zu können.

Wie tief die Gräben nicht nur in Venezuela selbst, sondern auch in Lateinamerika sind, veranschaulicht die Tatsache, dass der konservative venezolanische Oppositionspolitiker Henrique Capriles, der als Hoffnungsträger der USA gilt, Bachelet im Interview mit dem Radiosender Cooperativa tatsächlich mit dem chilenischen Diktator Augusto Pinochet verglich. Bachelet sei wie der Diktator, da sie die "überproportionale Gewalt", die in Venezuela herrsche, nicht schärfstens verurteile. Pikanterweise ist der Vater der Sozialistin, ein Luftwaffengeneral, unter Pinochet im Gefängnis zu Tode gefoltert worden - eine Tatsache, die 2012 offiziell untersucht worden ist.

Nun muss sich Bachelet sogar von der anderen Seite mit der Frage herumschlagen, ob ihr Land denn nun einen ähnlichen links-radikalen Kurs wie Venezuela einschlagen wolle. "Chile bleibt Chile - wir gehen unseren eigenen Weg", antwortete sie. Diese Distanz und Unabhängigkeit ist die Stärke der kleingewachsenen Frau.

Bachelet ist ungeheuer beliebt in Chile. Lateinamerikanische Medien vergleichen ihren Einfluss auf dem Kontinent mit dem der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in Europa. Die Verfassung verbot 2010 die erneute Kandidatur, ihre Wiederwahl wäre gewiss gewesen. Denn vor vier Jahren hatte sie das Amt mit den höchsten Popularitätswerten für einen scheidenden Präsidenten verlassen. Im Dezember 2013 gewann sie wieder die Präsidentschaft - in zweiter Wahlrunde gegen die konservative Kandidatin Evelyn Matthei - mit 62 Prozent der Stimmen.

Die Zeit zwischen den beiden Amtszeiten nutzte sie, um ihr internationales Netzwerk weiter zu auszubauen. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hatte sie als Executive Director der Frauen-Organisation UN Women berufen. Auch in diesem Amt wuchs ihr Einfluss.

Ihre Popularität schützt sie allerdings nicht vor handwerklichen Fehlern in den Niederrungen der nationalen Politik. Zuletzt musste sie gleich mehrfach Kandidaten für ihr Kabinett austauschen, weil dunkle Schatten auf deren Vergangenheit lasteten. Die für ein hohes Amt im Verteidigungsministerium vorgesehene Carolina Echeverría musste verzichten, weil ihr Vater in die Machenschaften der chilenischen Militärdiktatur verstrickt war. Zuvor fielen bereits zwei andere von Bachelet Auserwählte durch das Raster, weil Interessenkonflikte drohten. Korruptionsverdacht gleich zu Beginn der Amtszeit wäre alles andere als ein positives Signal gewesen.

Bachelet muss nach ihrem Wahlsieg nun liefern und all das umsetzen, was sie im Wahlkampf versprach, aber bereits in ihrer ersten Wahlperiode nicht umzusetzen vermochte. Dazu gehört eine Reform der Bildungspolitik, eine der Hauptforderungen der chilenischen Studentenbewegung, die nun mit an den Fleischtöpfen der Macht sitzt und ins Parlament eingezogen ist. Auch eine gründliche Aufarbeitung der Militärdiktatur scheute die heute 62 Jahre alte Politikerin bisher. Sie will eine Verfassungsreform anpacken und das geerbte Wirtschaftswachstum des Landes weiter forcieren.