Wien. An diesem Wochenende soll der Grundstein zu einem Durchbruch im Atomstreit mit dem Iran gelegt werden: Die Außenminister John Kerry (USA), Laurent Fabius (Frankreich), William Hague (Großbritannien) und Frank-Walter Steinmeier (Deutschland) reisen am Sonntag (Kerry bereits am Samstag) nach Wien, um dort mit dem schon seit Tagen in Wien anwesenden iranischen Außenminister Javad Zarif direkt zu verhandeln.
Washingtons John Kerry wird Samstagnachmittag anreisen, seine Kollegen Frank-Walter Steinmeier (Deutschland), William Hague (Großbritannien) und Laurent Fabius (Frankreich) am Sonntag, Irans Mohammed Javad Zarif ist ohnehin längst hier. Russlands Außenminister Sergej Lawrow, wird nicht dabeisein, ob Chinas Wang Yi anreist, war am Freitag unklar.
Die EU-Außenbeauftragte Cathrine Ashton moderiert einige dieser Treffen. So ist etwa am Sonntag ein Mittagessen geplant, bei dem alle Verhandlungspartner teilnehmen sollen. Die politischen Spitzenrepräsentanten sollen aber vor allem nach Wien kommen, um dort, wo die Verhandlungspartner noch weit auseinander liegen, Brücken zu bauen und auszuloten, wie die Chancen für einen Verhandlungserfolg stehen, meint Michael Mann, Sprecher der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton in einem Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Mann nennt das kurz und bündig "Inventur".
Aus Verhandlerkreisen war auch zu erfahren, dass es - so die Verhandlungsrunde am Sonntag gut läuft - kommendes Wochenende zu einer zweiten, entscheidenden Verhandlungsrunde unter Beteiligung der Spitzenrepräsentnaten kommen könnte. Bei den Gesprächen mit den anderen Außenministern will Zarif auch erwirken, dass die "Wundpunkte" bei den Gesprächen - die Zentrifugenfrage und die Diskussion rund um die Kontrolle der Anlagen - ein Stück entschärft werden, heißt es aus dem Umfeld des iranischen Verhandlungsteams.
"Die Verhandlungsfortschritte bei den Atomgesprächen in Wien sind besser als gedacht", meint Daryl Kimball, Direktor der Arms Control Association in Washington, D.C. im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Kelsey Davenport, eine Kollegin von Kimball bei der Arms Control Association (ACA), präzisiert: Nach den Informationen von ACA habe es hinter den Kulissen deutliche Fortschritte in wichtigen Punkten gegeben, Differenzen bestünden aber weiter bei der Frage um die Anreicherung von spaltbarem Uran. "Die Rufe nach einer Erhöhung der Anreicherungs-Kapazitäten, die von Teilen der iranischen Führung gekommen sind, widerspiegeln nicht die Realitäten am Verhandlungstisch", meint Davenport, aber der Iran müsse eben auch in der Lage sein, einen Deal zu Hause zu verkaufen. "Diese Quadratur des Kreises zu schaffen, erfordert einen Kompromiss - die internationale Gemeinschaft kann wohl keine dramatische Verminderung der Urananreicherungskapazitäten des Iran verlangen. Aber um dieses Problem zu lösen, gibt es kreative Lösungen", meint Davenport. Es gibt aber freilich noch andere Knackpunkte, etwa den in Bau befindlichen Schwerwasserreaktor in Arak, in dem eines Tages Plutonium zum Atombombenbau gewonnen werden könnte, das iranische Raketenprogramm und die Entwicklung von Initialzünder-Technologie durch den Iran, die einzig und allein dem Zünden einer Atombombe dient. Die Verhandler haben jedenfalls Zeit bis zu einer selbst gesetzten Deadline vom 20. Juli.
Angst vor der Bombe
Der wichtigste Knackpunkt bei den Verhandlungen im Palais Coburg: Die internationale Staatengemeinschaft will verhindern, dass der Iran innerhalb kurzer Zeit größere Mengen des spaltbaren, bombenfähigen Uran-Isotops 235U anreichern kann. Die weitaus größere Menge des im Bergbau abgebauten Urans besteht nämlich vorwiegend aus dem etwas schwereren, für Nuklearindustrie und Nuklearwaffentechnik nicht brauchbaren Uran-Isotops 238U. Um die beiden Isotope des Elements zu trennen, wandelt man Uran in einem chemischen Prozess in eine gasförmige Verbindung um, und trennt die beiden ungleich schweren Uran-Isotope dann in Kaskaden von Gas-Zentrifugen. Das gewonnene 235U kann dann für Brennstäbe in Kernkraftwerken oder aber für den Bau von Atombomben verwendet werden. Darum auch der Streit um die Anzahl der Gaszentrifugen. Mehr Zentrifugen erhöhen die Gefahr, dass der Iran im Bedarfsfall schnell an das nötige bombenfähige Material gelangt. Und genau deshalb will die Staatengemeinschaft die Zahl der iranischen Gaszentrifugen begrenzen, was Teheran wiederum als Eingriff in sein Recht der friedlichen Nutzung der Kernenergie sieht.
Der Iran hat zudem einige Zeit versucht, seine Anreicherungskapazitäten vor der internationalen Staatengemeinschaft geheim zu halten. Der Westen beschuldigt seither den Iran, sein ziviles Nuklearprogramm für militärische Zwecke zu missbrauchen, um eines Tages die Fähigkeit zum Bau einer Atombombe zu erlangen. Der Iran ist aber Mitglied des Atomwaffensperrvertrages und hat sich vertraglich gebunden, keine nukleare Bewaffnung anzustreben. Eine iranische Atombombe wäre aber nicht nur eine Bedrohung für Israel (das den Atomwaffensperrvertrag nicht ratifiziert hat und auch nuklear bewaffnet ist), sondern auch für die arabischen Staaten am Persischen Golf, die mit dem Iran verfeindet sind. Hätte der Iran die Bombe, wäre ein nukleares Wettrüsten mit Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten oder der Türkei zu befürchten.