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Dunkle Wolken über Chinas Jerusalem

Von WZ-Korrespondent Wu Gang

Politik

Mit seiner Reise nach Südkorea sendet Papst Franziskus auch versöhnliche Signale in Richtung China. | Dort jedoch eskaliert der Streit um die Entfernung von Kreuzen und die Demolierung von Kirchen.


Peking/Wenzhou. 13 Jahre lang war kein Oberhaupt der katholischen Kirche mehr in Asien, sieht man vom Nahen Osten ab. Nun nimmt Papst Franziskus für sein erstes Reiseziel auf dem Riesenkontinent einige Strapazen auf sich: Nach einem elfeinhalbstündigen Nachtflug über 9000 Kilometer trifft er heute, Donnerstag, in Seoul ein, wo ihn neben feuchtheißem Klima und Jetlag viele protokollarische Termine erwarten. Offiziell empfangen wird der 77-Jährige von Südkoreas Staatspräsidentin Park Geun-hye, bevor am Freitag vor 6000 Teilnehmern eine Messe im Fußballstadion von Daejeon und am Samstag die Seligsprechung von 124 Märtyrern gefeiert werden.

Bald nach seiner Wahl hatte Franziskus Asien als einen Schwerpunkt für sein Pontifikat bezeichnet. Dass er Südkorea als erstes Reiseziel wählte, hat auch mit der geografischen Nähe zu China zu tun, das er im Jänner mit einer weiteren Reise nach Sri Lanka und auf die Philippinen gewissermaßen umrunden wird. Ob es jedoch tatsächlich zu einem offiziellen Staatsbesuch in der Volksrepublik kommen wird, ist nach den jüngsten Entwicklungen fraglich.

Denn in China spitzte sich die Konfrontation zwischen Kirche und Staatsmacht in den vergangenen Wochen zu. Hauptschauplatz der Auseinadersetzung ist die graue Industriestadt Wenzhou 350 Kilometer südlich von Shanghai. Die Stadt gilt nicht nur als Sprungbrett für Privatunternehmen, sondern auch als Zentrum des aufstrebenden Christentums im Reich der Mitte.

Von den acht Millionen Einwohnern sind rund 15 Prozent bekennende Christen, die 1500 Gotteshäuser sind kaum zu übersehen. Einige sind in schlichtem Weiß gehalten und tragen das chinesische Schriftzeichen für "Liebe", andere wiederum wirken wie bizarre Sandstein-Nachbildungen von Notre Dame. Viele sprechen von "Chinas Jerusalem".

Hungerstreik des Pastors

Seit Jahresbeginn wurden hier mehr als 160 Kreuze von Kirchen entfernt und drei Gotteshäuser zerstört. Vorläufiger Höhepunkt war ein Zusammenprall von Polizisten mit rund 1000 Demonstranten, die mit einer Menschenkette das Kreuz der Sjuitou-Erlösungskirche schützen wollten. Die mit Eisenstangen und Schutzschilden ausgerüsteten Sicherheitskräfte verletzten bei dem nächtlichen Einsatz circa 60 Personen teilweise schwer. Der Pastor der Kirche trat daraufhin in den Hungerstreik und sperrte sich im Kirchturm ein, doch den Abriss konnte auch er nicht verhindern. Trotzig schrieb er seinen Anhängern über einen Microblog: "Ich habe mich verändert. Ich war ein Feigling, doch jetzt habe ich meinen Mut gefunden. Ich habe diese Entscheidung getroffen, da ich keine Alternativen sehe."

Andere Priester wurden in der Zwischenzeit verhaftet, darunter auch einige der staatlich anerkannten und kontrollierten Kirchen. Und im nahen Ningbo brannte - Zufall oder nicht - eine der ältesten Kirchen des Landes bis auf die Grundfesten ab.

Die Behörden verteidigten ihr Vorgehen damit, dass sich die Maßnahmen nicht gegen Kirchen richten würden, sondern gegen alle Gebäude, die ohne Genehmigung errichtet worden seien. Die einheimischen Christen sehen darin jedoch eine gezielte Kampagne, um die Glaubensfreiheit einzuschränken: "Eigentlich sind wir mit den Behörden bisher gut ausgekommen, doch was wir jetzt erleben, ist der intensivste Angriff auf unseren Glauben seit der Kulturrevolution", sagt etwa ein Geistlicher aus Peking mit dem Namen "Joy". Tatsächlich hat die chinesische Regierung das Wachsen der christlichen Gemeinden mit Unbehagen zur Kenntnis genommen. Laut Schätzungen bekennen sich vier bis fünf Prozent der Bevölkerung zum Christentum - Tendenz steigend.

Religion als Bedrohung

Im Mai wurde im Weißbuch für nationale Sicherheit festgehalten, dass Infiltration durch Religion eine Bedrohung der nationalen Sicherheit darstellen würde. Eine externe Religion, die schwer zu kontrollieren sei, gälte als potenziell gefährlich für die Einheit des Staates. Obwohl die offizielle "Drei-Selbst-Bewegung" und die "Chinesische Katholische Patriotenvereinigung" streng kontrolliert und von ausländischen Einflüssen abgeschirmt werden, begegnen ihnen die Behörden mit Misstrauen. In Zusammenhang mit dem Christentum reden sie meist von "yang jiao" - ausländischen Lehren.

Dabei versuchte Papst Franziskus zuletzt im Frühjahr, im Vorfeld der ersten Europareise von Chinas Staatspräsident Xi Jinping das diplomatische Eis zwischen China und dem Vatikan zum Schmelzen zu bringen: "Wir sind China nahe. Ich habe dem Präsidenten einen Brief geschrieben, als er gewählt wurde, drei Tage nach mir. Und er hat mir geantwortet", sagte er in einem Interview mit dem "Corriere delle Serra" und fügte hinzu: "Es gibt einige Beziehungen. Es ist ein großes Volk, das ich liebe." Der Vatikanstaat ist das einzige Land in Europa, zu dem die Volksrepublik keine diplomatischen Beziehungen unterhält. Franziskus möchte dies ändern, doch auf chinesischer Seite ist der Enthusiasmus deutlich gebremster: Xi besuchte erst im Februar den Geburtsort von Konfuzius, um dort demonstrativ die Propagierung einer "ethischen Doktrin" auf der Grundlage "fundamentaler sozialistischer Werte" und "traditioneller chinesischer Kultur" zu fordern.