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Eine Welt, zwei Netze

Von WZ-Korrespondent Wu Gang

Politik

Mit der ersten "Welt-Internetkonferenz" stellt China klar, dass es sein eigenes Konzept eines sicheren und geordneten Netzes durchsetzen will. Die Führung in Peking sperrt immer mehr Internetseiten.


Peking. Das historische Wasserdorf Wuzhen in der ostchinesischen Provinz Zhejiang ist ein malerischer Ort, durchzogen von einem Netz aus Wasserstraßen, über die rund hundert alte Steinbrücken führen. Symbolisch hatte die im Februar zum Ministerium aufgewertete Cyberspace-Verwaltung Chinas diesen friedlichen Ort gewählt, um zur ersten "Welt-Internetkonferenz" zu laden. Drei Tage lang trafen sich vergangene Woche Spitzenvertreter chinesischer und internationaler Technologiekonzerne sowie Internetregulatoren und Regierungsbeamte, um ihre Intention zu unterstreichen, an einer vernetzten Welt zu arbeiten, über die das Internet Brücken schlagen soll.

"Eine vernetzte Welt, geteilt und verwaltet von allen" - so lautete das Motto der Veranstaltung, über die man auf chinesischen Seiten allerhand erfuhr; etwa, dass Jack Ma Yun, der Gründer der mächtigen Alibaba-Gruppe, rote Strickpullover bevorzugt. Doch wer sich von ausländischen Nachrichtendiensten wie beispielsweise "Bloomberg" oder der "New York Times" informieren lassen wollte, schaute durch die Finger, denn diese Seiten sind in China gesperrt - gemeinsam mit mittlerweile rund 56.000 anderen Internetadressen.

Apps werden unbrauchbar

Im Vorfeld der besagten "Welt-Internetkonferenz" wurden es noch einmal ein paar Seiten mehr: So räumte Edgecast, ein Großanbieter von Cloud-Diensten, ein, dass viele seiner Dienste von China aus nicht mehr oder nur noch eingeschränkt abrufbar sind. Auch Sony Mobile, der Nachrichtenanbieter "The Atlantic" oder Add-Ons des Internetbrowsers Firefox wurden und werden geblockt, womit auf einen Schlag tausende Webseiten und Apps in der Volksrepublik unbrauchbar geworden sind. Die Internet-Organisation Greatfire.org bezeichnete den Schritt als "Versuch, China vom globalen Internet abzuschneiden".

Das sah man auf chinesischer Seite freilich anders. Der oberste Internetregulator Lu Wei sagte bei einer Pressekonferenz, dass alle Managementmaßnahmen im Internet die nationale Sicherheit des Landes gewährleisten und die Interessen der Internetnutzer schützen sollen: "China war immer gastfreundlich zu der auswärtigen Welt, aber ich kann mir schließlich aussuchen, wen ich in meinem Haus als Gast begrüße", sagte Lu und fügte eilig hinzu, dass er "wahre Freunde" natürlich herzlich willkommen heiße.

Wer diese "wahren Freunde" sind, ist jedoch nicht immer ganz nachvollziehbar. Neben den gesperrten Seiten werden tausende von Suchbegriffen gefiltert, ganze Internetkonzerne wie beispielsweise Google vom Markt ausgeschlossen, nachdem sich das Unternehmen 2010 geweigert hatte, die Zensurvorgaben der Behörden in seinen Suchmaschinen umzusetzen.

Nicht viel besser erging es Twitter, Facebook, YouTube oder Instagram, und ausländische Unternehmen beklagen mittlerweile offen, dass die Zensur und die daraus resultierende Langsamkeit des chinesischen Netzes ihre Geschäfte beeinträchtigen. Das hat zur Folge, dass sich Chinas Internetnutzer konträr zur restlichen Welt in einem virtuellen Parallel-Universum bewegen, das von Firmen wie dem Suchmaschinen-Anbieter Baidu, den Microblog-Diensten Sina und Tencent oder eben dem E-Kommerz-Riesen Alibaba dominiert wird. Deren Dienstleistungen gleichen denen der ausländischen Mitbewerber zwar teilweise bis ins Detail, doch sie beugen sich den Vorgaben der staatlichen Zensur und sichern sich so ihre Geschäftslizenz.

Die "Welt-Internetkonferenz" war daher auch eher ein Signal, dass Peking nicht länger im Abseits stehen möchte, wenn es um die globale Verwaltung und Organisation des Internets geht, sondern sein eigenes Konzept eines sicheren und geordneten Netzes durchsetzen will. Chefregulator Lu trat daher auch mit entsprechendem Selbstbewusstsein auf, als er sagte: "China hat bereits jetzt 630 Millionen Internetnutzer und stellt vier der Top-Ten-IT-Unternehmen." Es sollen noch mehr werden, denn der Trend zu Eigenentwicklungen wird durch das Misstrauen gegenüber den USA beschleunigt: Die Enthüllungen über die Tätigkeit des US-Geheimdienstes NSA und gegenseitige Hacking-Vorwürfe haben China dazu veranlasst, die Entwicklung eigener Betriebssysteme voranzutreiben, um Apple, Microsoft und anderen Paroli zu bieten. Es wirkte daher wie ein Schuss vor den Bug, als die Behörden dem letzten iPhone-Modell zunächst die Lizenz verweigerten und der Staatssender CCTV gar den US-Konzern Apple wegen gespeicherter Standortdaten als "Sicherheitsrisiko" anprangerte.

Eigene Regeln

Ministerpräsident Li Keqiang betonte am Rande der Konferenz, China müsse seine eigenen Regeln im Cyberspace setzen. Demnach müssten nationale "Informationsgrenzen" wie Landesgrenzen respektiert werden. Doch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International warnte, dass China darüber hinaus seine Ideen der Kontrolle mittlerweile als Modell für die globale Regulierung des Internets sehe und mehr chinesische Mitsprache durchsetzen wolle, was als Angriff auf die Internet-Freiheit interpretiert wird.

Zumindest Chefregulator Lu Wei scheint der weiten Welt außerhalb seines Landes keine Beachtung zu schenken. Angesprochen auf die Sperre von Diensten wie Facebook und Twitter antwortete er treuherzig: "Ich persönlich habe solche Seiten nie besucht, daher kann ich Ihnen auch nicht sagen, ob sie hier geblockt werden oder nicht."