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"Der Schatten der Krise ist vorbei"

Von Thomas Seifert

Politik

Sechs Jahre nach seinem Amtsantritt sieht sich US-Präsident Obama gestärkt. Die brummende Wirtschaft gibt ihm Selbstvertrauen.


Washington/Wien. US-Präsident Barack Obama ist wieder der Alte. Gestärkt durch die anziehende US-Wirtschaft hat der amerikanische Präsident Barack Obama an Selbstbewusstsein gewonnen, nach den im November 2014 geschlagenen Mid-Term-Kongresswahlen muss er auch keine wahltaktischen Rücksichten mehr nehmen. Beide Häuser des US-Kongresses sind in republikanischer Hand, Obama hat nichts mehr zu verlieren.

Und so eröffnet der US-Präsident gleich mehrere Konflikt-Linien mit den Republikanern und schlägt klassenkämpferische Töne an. Eines seiner Hauptziele in seinen verbleibenden zwei Jahren im Weißen Haus ist der Kampf gegen die sich stetig vergrößernde soziale Kluft im Land. Durch höhere Steuern für Reiche will Obama Wirtschaftspolitik für die Mittelschicht machen, "die allen Bürgern eine faire Chance einräumt", sagte er am Dienstagabend in seiner Rede zur Lage der Nation im Kapitol in Washington.

Obama war kurz nach dem Ausbruch der Wirtschafts- und Finanzkrise als 44. US-Präsident angelobt worden, nun, im siebenten Jahr seiner Präsidentschaft, sei "der Schatten der Krise vergangen". Die Arbeitslosenquote in den USA ist zuletzt auf 5,6 Prozent, den niedrigsten Stand seit dem Krisen-Jahr 2008 gefallen, das Bruttoinlandsprodukt ist zuletzt gewachsen, wie seit zehn Jahren nicht mehr.

Allerdings kann die Mittelschicht vom Aufschwung kaum profitieren, die Einkommen und Gehälter der Mehrheit der Bevölkerung stagnieren. Obama stellte vor den Abgeordneten beider Häuser die Frage in den Raum: "Werden wir eine Wirtschaft hinnehmen, in der nur wenige von uns spektakulär gut abschneiden? Oder werden wir uns einer Wirtschaft verpflichten, die wachsende Einkommen und Möglichkeiten für alle schafft, die sich bemühen?"

Obamas Antwort: Umverteilung. Ein Steuerschlupfloch, durch das Vermögende ihr Erbe an den Finanzbehörden vorbei in Treuhandfonds schleusen können, soll geschlossen werden und Kapitalerträge stärker besteuert werden. Ein weiteres Ziel Obamas ist es, die großen Finanzinstitute stärker zur Kasse zu bitten. Einerseits sollen Banken mit neuen Gebühren davon abgehalten werden, exzessive Risiken einzugehen, Gebühren auferlegt werden. Eine stringentere Bankenregulierung soll dem US-Finanzsystem mehr Stabilität verschaffen. Insgesamt könnte das US-Finanzministerium nach Berechnungen des Weißen Hauses in den kommenden zehn Jahren 320 Milliarden Dollar (276,36 Mio. Euro) durch diese Maßnahmen einnehmen.

Mit dem Geld soll nach dem Willen Obamas die Mittelschicht entlastet werden und kostenlose Zwei-Jahres-Kurzstudien in öffentlichen Colleges für gute Schüler finanziert werden. "Jetzt müssen wir aufstehen und für die Mittelschicht liefern", erklärte Hillary Clinton, die als Präsidentschaftskandidatin der Demokraten gehandelt wird.

Eine weitere Forderung erhob Obama in seiner Rede zur Lage der Nation: Männer und Frauen sollen endlich gleiche Löhne bekommen, es müsse ein Gesetz beschlossen werden, "das sicherstellt, dass eine Frau genauso viel verdient wie ein Mann, wenn sie die gleiche Arbeit verrichtet".

Drohungen der Republikaner, Obamas Reformen des Gesundheitssystems ("Obamacare") wieder zurückzunehmen, begegnete der US-Präsident seinerseits mit der Ankündigung gegen alle derartigen Vorhaben sein Veto einzulegen.

Verhärtung der Lager

Die Aussichten auf Erfolg bei diesen Vorhaben sind für Obama allerdings düster. Die Republikaner, die im Kongress das Sagen haben, lehnen jede Form von Steuersenkung kategorisch ab. Mitt Romney, einer der möglichen republikanischen Kandidaten für das Amt des Präsidenten, meinte, der US-Präsident ignoriere die Tatsache, dass das Land "einen Kongress gewählt hat, der einen schlankeren Staat und niedrigere Steuern will".

Für die Republikaner ist Obamas neu gefundener Mut ein Problem: Denn die Strategie des Weißen Hauses ist offenbar, populäre Initiativen vor den republikanischen Kongress zu bringen, der diese Initiativen postwendend ablehnt. Auf diese Art würde sich das Bild eines obstruktiven republikanischen Kongresses verfestigen, was den Republikanern dann 2016 zum Verhängnis werden könnte.

Kein Wunder also, dass Mitch McConnell, Mehrheitsführer im Senat, Obama vorwarf, mit diesen Vorschlägen vor allem die demokratische Basis zu bedienen. Obama versuchte aber gleichzeitig, den Republikanern mit dem Vorschlag eines Arbeitsplätze schaffenden Investitionsprogramms in Infrastruktur einen Olivenzweig zu reichen. Denn auch die den Republikanern nahestehenden Wirtschaftslobbys fordern mehr Mittel für den Ausbau einer modernen Infrastruktur. Für die Handelspolitik des Präsidenten gibt es ebenfalls Zustimmung vonseiten der Republikaner: Sie sind für einen schnellen Abschluss der geplanten Freihandelsabkommen mit der EU (TTIP) und dem Pazifikraum (TPP). Obama bat den Kongress, seiner Regierung ein beschleunigtes Verhandlungsmandat zu erteilen.

Obama sprach auch die Kurswende seiner Regierung in der Kuba-Politik an und drängte den Kongress dazu, das Handelsembargo gegen den Karibikstaat aufzuheben. Zudem forderte Obama eine formale Vollmacht für den Militäreinsatz gegen die Kämpfer des Islamischen Staates in Syrien und dem Irak zu erteilen.

In der Iran-Politik warnte er den Kongress vor Querschüssen: Sollten die Abgeordneten zum jetzigen Zeitpunkt, wo gerade verhandelt wird, weitere Sanktionen gegen den Iran beschließen, werde er dagegen sein Veto einlegen, kündigte Obama an.