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Noch ein langer Weg zum Frieden

Von Klaus Huhold

Politik

Im Nordosten Myanmars sind heftige Kämpfe zwischen Armee und Rebellen ausgebrochen. | Das wirft ein Schlaglicht darauf, wie fragil die Beziehung des Staates zu seinen Minderheiten ist.


Naypyidaw/Wien. Der Grenzverkehr in die Region Kokang im Nordosten von Myanmar (Burma) ist gewöhnlich rege. Die Kasinos und Plantagen in der Gegend ziehen jede Menge Geschäftsleute und Touristen aus China an. In Kokang können sie sich wie Fische im Wasser bewegen, ist doch die Region eine der Hochburgen der chinesischen Minderheit in Myanmar. In den vergangenen Tagen gab es aber auch viel Bewegung in die andere Richtung, nämlich von Myanmar nach China. Doch handelte es sich hier nicht um Geschäftsleute, sondern um Flüchtlinge.

Denn in Kokang sind heftige Gefechte zwischen der Armee Myanmars und Rebellen ausgebrochen. Dabei seien binnen vier Tagen 47 Soldaten getötet und 73 weitere verletzt worden, berichtete die Zeitung "Global New Light of Myanmar" am Freitag. Die Rebellen hätten mit Raketenwerfern und Flugabwehrgeschützen Militärstützpunkte angegriffen. Die Armee flog daraufhin Luftangriffe gegen die Aufständischen. Wie viele Tote und Verletzte es auf Seiten der Rebellen gab, blieb zunächst unklar. Bei den Aufständischen handelte es sich um die Myanmar National Democratic Alliance Army (MNDAA), der hauptsächlich ethnische Chinesen angehören. Sie wird dabei angeblich von bewaffneten Einheiten anderer Minderheiten unterstützt. China ist jedenfalls über die Kämpfe verärgert und fürchtet, dass immer mehr Flüchtlinge über die Grenze kommen.

Politischer Wandel

Die Rebellen wollen offenbar Gebiete, die sie früher verloren haben, zurückerobern. Die Kämpfe werfen ein Schlaglicht darauf, wie fragil die Beziehungen in Myanmar zwischen Regierung und Armee auf der einen Seite und den Minderheiten und ihren Rebellengruppen auf der anderen Seite sind.

Das südostasiatische Land hat sich in den vergangenen Jahren politisch kräftig gewandelt. Zwar ist in der einstigen Diktatur das Militär noch immer sehr mächtig, doch hat Präsident Thein Sein, ein ehemaliger General, das Land geöffnet. Verschiedene politische Parteien sind nun zugelassen, die Pressezensur wurde gelockert. Doch wenn der Reformweg zu Ende gegangen werden soll, braucht es einen Ausgleich mit den Minderheiten.

In Myanmar leben rund 130 ethnische Gruppen, zu den größten zählen etwa die Karen, Shan oder Kachin. Die Minderheiten machen fast ein Drittel der Bevölkerung aus und viele von ihnen misstrauen der Zentralregierung zutiefst. Denn jahrzehntelang wurden in ihren Regionen Bodenschätze - etwa seltene Hölzer oder Gasvorkommen - ausgebeutet, ohne dass sie daran beteiligt wurden. Zudem ging die Armee brutal gegen Angehörige von Minderheiten vor, brannte ganze Dörfer nieder, wenn diese es wagten aufzubegehren. Dies rief wiederum die über ein Dutzend Rebellenarmeen der Minderheiten auf den Plan.

Die Regierung führt derzeit Gespräche mit Minderheitenvertretern und deren politische Parteien. Im Kern geht es dabei darum, wie weit sich Myanmar föderalisiert und wie stark einzelne ethnische Gruppen an den Bodenschätzen beteiligt werden. Dass die Ressourcen künftig fair verteilt werden, ist Voraussetzung für einen langfristigen Frieden.

Mit vielen Rebellengruppen wurden schon Waffenstillstandsabkommen geschlossen, doch sind diese fragil. Mit anderen Aufständischen spießt es sich noch, etwa der Kachin Independence Army (KIA). Die Armee verlangt, dass die KIA zuerst ihre Waffen niederlegt, bevor über politische Fragen verhandelt wird. Die KIA entgegnet aber, dass sie zunächst die politischen Fragen geklärt haben will, bevor sie über eine Entwaffnung überhaupt nachdenkt. Auch mit der KIA lieferte sich die Armee kürzlich heftige Gefechte.

Schmutzige Geschäfte

Hinzu kommt, dass manchen Rebellenarmeen vorgeworfen wird, mehr ihre eigenen schmutzigen Geschäfte zu verfolgen als die Interessen der Minderheiten - sich also die Frage stellt, wie weit sie diese überhaupt vertreten. So soll sich die MNDAA, mit der sich die Armee nun Kämpfe liefert, laut Berichten aus der Region hauptsächlich durch Betreiben von billigen Hotels, Casinos und Bordellen finanzieren.

In der Minderheitenfrage muss in Myanmar jedenfalls der Knoten eines jahrzehntelangen Konflikts entwirrt werden. Für den Politologen Khin Zaw Win, der kürzlich auf Einladung des Österreichischen Forschungsinstitut für Internationale Entwicklung in Wien war, ist es aber bereits ein großer Fortschritt, "dass die Staatsführung die Tür für den Föderalismus geöffnet hat. Vor fünf Jahren wurde dieser noch mit Separatismus gleichgesetzt."

Armee braucht den Westen

Dass in Myanmar Reformen und eine Demokratisierung eingeleitet wurden, hat auch bereits den Applaus des Westens gefunden. Doch noch sind die Diplomaten in Brüssel und Washington skeptisch, wie weit sie mit dem einstigen Paria kooperieren sollen. Entscheidend dafür wird auch der künftige Umgang mit den verschiedenen Ethnien sein.

Deshalb hat laut Kennern des Militärs in Myanmar gerade die Armee Interesse daran, dass das Minderheitenproblem gelöst wird. Myanmars Streitkräfte zählen zwar zu den größten in Asien, aber stark sind sie nur noch auf dem Papier - das beweisen die vielen Verluste bei den Kämpfen gegen Rebellen. Die Ausrüstung ist schlecht und veraltet, die Generäle selbst wissen, dass sie das Militär modernisieren müssen. Sie vertrauen dabei nicht darauf, dass das mit Lieferungen aus China gelingen kann. Daher wollen hochrangige Kader mit dem Westen kooperieren. Und deshalb würde es auch sie teuer kommen, sollte Myanmar den eingeschlagenen Reformweg verlassen.