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IS krallt sich 300 Kilometer vor Europas Küste fest

Von Michael Schmölzer

Politik

Terrorgruppe errichtet in libyschen Städten Schreckensherrschaft. Immer mehr ehemalige Rebellengruppen schließen sich den radikalen Islamisten an.


Wien/Tripolis. Der Islamische Staat (IS) ist in Libyen rasant auf dem Vormarsch - der Fall des entführten Österreichers Dalibor S. macht das nur zu deutlich. Die schwer bewaffneten Einheiten verstehen sich als Vorhut jener Terroristen, die im Irak und in Syrien wüten. Strategie und Vorgangsweise sind dabei in Libyen so grausam wie im Irak. Bei dem Angriff auf die Ölförderanlage Al-Ghani, wo der Österreicher beschäftigt war, wurde die einheimische Wachmannschaft von IS-Männern geköpft und die Ausländer offenbar in Hoffnung auf Lösegelder entführt. Wobei völlig unklar ist, wo sich der 39 Jahre alte Österreicher befindet und ob er noch am Leben ist.

Zerstörungswut

Der IS ist in Libyen wie in Syrien und im Irak bemüht, Angst und Schrecken zu verbreiten, um Gegner schon vor einem eigentlichen Kampf in die Flucht zu schlagen. Wobei die libyschen Streitkräfte nach dem monatelangen Bürgerkrieg gegen Muammar Gaddafi 2011 kampferfahren sind und sich, im Gegensatz zu den korrupten Streitkräften im Irak, nicht so leicht beeindrucken lassen. Christen sind ein weiteres Hauptziel des IS in Libyen, im Februar wurden 21 ägyptische Kopten brutal enthauptet, es kommt auch hier immer wieder zu Entführungen.

Dem IS geht es darum, die einstmals florierende Ölindustrie möglichst auszuschalten - zumindest die Anlagen, die man nicht dauerhaft in Besitz nehmen kann. In den letzten Wochen hat es immer wieder Angriffe auf Ölförderanlagen gegeben, die OMV hat ihre Tätigkeit längst eingestellt.

In der Mittelmeerstadt Sirte mit mehr als 130.000 Einwohnern, in Derna und Nofilia hat sich der IS dauerhaft festsetzen können (siehe Grafik). Diese Städte stehen unter der Kontrolle islamistischer Verbände. Der Islamische Staat kontrolliert auch Teile von Benghasi und taucht immer wieder in Tripolis auf.

In Derna und Sirte, so bestätigt ein Bericht von "Human Rights Watch", habe der IS eine Schreckensherrschaft errichtet, die an Raqqa, die IS-Zentrale in Syrien, erinnert. Immer mehr ehemalige Rebellengruppen schließen sich den Terroristen an, der Islamische Staat ist offenbar in sieben libyschen Städten aktiv. Nur ein kleiner Teil der Bevölkerung sympathisiert mit den Dschihadisten, die meisten werden terrorisiert.

Der Erfolg des IS in Libyen ist direkte Folge des Bürgerkrieges gegen Muammar Gaddafi, der im Herbst 2011 von Rebellen getötet worden war. Im Kampf gegen Gaddafi waren die verschiedene Stammes- und Regionalmilizen geeint. Dann, nach dem Sieg über den Diktator, geriet das Land zunehmend ins Trudeln. Zwei Regierungen, eine, die vom Westen anerkannt wird und ihren Sitz in Tobruk hat, und eine in Tripolis bekämpfen einander bis aufs Blut. Friedensverhandlungen waren bis dato nicht erfolgreich.

Erste Erfolge konnte der IS in Libyen Ende Oktober 2014 verzeichnen. Damals leistete in Derna die Miliz "Schura-Rat der Jugend des Islams" dem IS den Treueschwur. Heute unterteilt sich die Truppe in einen ost- und einen westlibyschen "Staat". Die Dschihadisten rekrutieren nicht nur ehemaligen Rebellen. In Libyen kämpfen Fanatiker aus dem Jemen, aus Tunesien, Algerien und Tschetschenien. Das Chaos bekommt vor allem Italien zu spüren, wo ein dramatischer Anstieg der Flüchtlingswelle erwartet wird. Befürchtet wird ein Massenexodus mit bis zu 200.000 Flüchtlinge.

"Keine Lösegeldforderung"

Von dem entführten Österreicher gibt es noch kein Lebenszeichen, wie Außenminister Sebastian Kurz gestern bestätigte. Ein im Außenministerium eingerichteter Krisenstab tagt. Kanzler Werner Faymann wollte nicht darüber spekulieren, ob bereits Lösegeldforderungen eingegangen seien. Der Terrorexperte Peter Neumann meinte zuletzt, dass Österreich bei ähnlichen Fällen bereits gezahlt habe. Derartige Verhandlungen könnten Jahre dauern und liefen oft über Mittelsmänner.

In der Vergangenheit waren Österreicher des Öfteren Opfer von Entführungen. Ein Überblick der wichtigsten Fälle:

24. Dezember 2005: Während einer ganzen Serie von Einführungen von Ausländern im Jemen geraten auch die beiden österreichischen Architekten Barbara Meisterhofer (31) und Peter Schurz (52) in die Hände von Geiselnehmern. Nach wenigen Tagen kommen sie frei.

16. November 2006: Der 25-jährige Oberösterreicher Bert Nussbaumer wird gemeinsam mit vier US-Bürgern und neun ortsansässigen Mitarbeitern der US-Sicherheitsfirma Crescent Security im Irak entführt und später tot gefunden.

Februar 2008: Zwei Österreicher werden im tunesisch-algerischen Grenzgebiet gekidnappt und in den Norden Malis verschleppt. Sie befinden sich 252 Tage lang in Geiselhaft der Al-Kaida. Nach langen Verhandlungen kommen sie frei.

Jänner 2012: Bei einem Überfall auf europäische Touristen im Nordosten Äthiopiens werden fünf Menschen getötet. Bei einem Opfer handelt es sich um einen Österreicher.

21. Dezember 2012: Ein 26-jähriger Österreicher wird in Jemens Hauptstadt Sanaa entführt. Nach Vermittlung durch den Oman kommt er frei.

17. Jänner 2013: Ein 36-jähriger Niederösterreicher wird auf einem Ölfeld in Algerien an der Grenze zu Libyen als Geisel genommen. Insgesamt halten die Geiselnehmer dutzende ausländische und hunderte algerische Bürger fest. Der Österreicher kann sich verstecken und wird schließlich befreit.

11. April 2014: Ein syrischstämmiger Österreicher wurde im November 2013 in Syrien entführt. Er wird später von der Armee aus der Kampfzone geholt und nach Damaskus gebracht.In der Vergangenheit waren Österreicher des Öfteren Opfer von Entführungen. Ein Überblick der wichtigsten Fälle:

24. Dezember 2005: Während einer ganzen Serie von Einführungen von Ausländern im Jemen geraten auch die beiden österreichischen Architekten Barbara Meisterhofer (31) und Peter Schurz (52) in die Hände von Geiselnehmern. Nach wenigen Tagen kommen sie frei.

16. November 2006: Der 25-jährige Oberösterreicher Bert Nussbaumer wird gemeinsam mit vier US-Bürgern und neun ortsansässigen Mitarbeitern der US-Sicherheitsfirma Crescent Security im Irak entführt und später tot gefunden.

Februar 2008: Zwei Österreicher werden im tunesisch-algerischen Grenzgebiet gekidnappt und in den Norden Malis verschleppt. Sie befinden sich 252 Tage lang in Geiselhaft der Al-Kaida. Nach langen Verhandlungen kommen sie frei.

Jänner 2012: Bei einem Überfall auf europäische Touristen im Nordosten Äthiopiens werden fünf Menschen getötet. Bei einem Opfer handelt es sich um einen Österreicher.

21. Dezember 2012: Ein 26-jähriger Österreicher wird in Jemens Hauptstadt Sanaa entführt. Nach Vermittlung durch den Oman kommt er frei.

17. Jänner 2013: Ein 36-jähriger Niederösterreicher wird auf einem Ölfeld in Algerien an der Grenze zu Libyen als Geisel genommen. Insgesamt halten die Geiselnehmer dutzende ausländische und hunderte algerische Bürger fest. Der Österreicher kann sich verstecken und wird schließlich befreit.

11. April 2014: Ein syrischstämmiger Österreicher wurde im November 2013 in Syrien entführt. Er wird später von der Armee aus der Kampfzone geholt und nach Damaskus gebracht.

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