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Die Mission der Versöhnung

Von Klaus Huhold

Politik

Erzbischof Nzapalainga und Imam Layama trotzen der Gewalt und dem Hass in der Zentralafrikanischen Republik.


Wien. Wenn sie in einem Dorf in der Zentralafrikanischen Republik auftauchen, ist das ein Bild mit hohem Symbolcharakter. Der eine, Dieudonne Nzapalainga, ist katholischer Erzbischof, der andere, Oumar Kobine Layama, ist Vorsitzender der Versammlung der Imame des Landes. Gemeinsam ist ihnen ihre Mission: Sie predigen Versöhnung in einem Land, in dem die Gewalt regiert und bewaffnete Kämpfe auch entlang religiöser Linien verlaufen, in dem Christen und Moslems einander töten.

Seit gut zwei Jahren regiert Chaos: Zunächst eroberten die Seleka-Milizen, die aus dem Norden des Landes stammen, die Hauptstadt Bangui. Die großteils moslemischen Seleka plünderten Bangui, wo mehrheitlich Christen leben. Daraufhin bildeten sich in den christlichen Vierteln die Anti-Balaka. Nun brannten Moscheen und die Häuser der Moslems. Ähnlich verhielt es sich auf dem Land: Milizen vertrieben und töteten Christen auf der einen und Moslems auf der anderen Seite. Anti-Balaka und Seleka kontrollieren bis heute Landesteile und terrorisieren die Bevölkerung.

In Zentralafrika gibt es Kinder, die in Todesangst in die Wälder rannten, während die Hütten, in denen sie aufgewachsen waren, angezündet wurden. Es gibt Mütter, von denen ein Sohn getötet wurde und ein anderer selbst zur Waffe griff und zu morden begann. In diesem Umfeld gehen Nzapalainga und Layama gemeinsam durch Dörfer und Städte und sagen: "Hört auf zu töten. Geht zurück auf die Felder, geht zurück in die Schule und versucht, euch zu versöhnen."

Leichtes Spiel für Kriegstreiber

Der Erzbischof und der Imam, die kürzlich beim Humanitären Kongress in Wien zu Gast waren, wissen, dass ihr Wort in dem gläubigen Land Gewicht hat. Doch sie geben sich auch keinen Illusionen hin, wie weit ihr Einfluss reicht, wie sie bei einer Podiumsdiskussion und einem Hintergrundgespräch mit der "Wiener Zeitung" klarmachen.

Wegen der hohen Armut würden die Kriegstreiber schnell ihre Rekruten finden, berichtet Erzbischof Nzapalainga. In dem Land haben viele Familien nicht genug zu essen und viele junge Menschen keine andere Perspektive als ein Leben im Elend. Nur für diejenigen, die das Geld und die Macht haben, galten immer schon andere Regeln. "Viele Leute glauben, dass sie nur durch Waffen zu ihrem Recht kommen", berichtet Nzapalainga. "Wir müssen ihnen Alternativen aufzeigen."

Oft begleitet auch ein protestantischer Pastor Nzapalainga und Layama bei ihrer Friedensmission. Sie sprechen zunächst separat mit den Angehörigen ihrer Glaubensgruppe, um dann die Menschen zusammenzuführen. "Wir fragen dabei auch direkt danach, welche Ungerechtigkeiten passiert sind, welche Hindernisse es auf dem Weg zur Versöhnung gibt und wie diese überwunden werden können", sagt der Imam Layama.

Sowohl Layama als auch Nzapalainga bestehen darauf, dass die Wurzel des Konflikts in ihrer Heimat keine religiöse sei. Wenn die Leute stehlen und töten, "verhalten sie sich nicht religiös", betont Layama.

Humanitäre Tragödie

Nzapalainga verweist auf die Genese des Konflikts. Der Grund für den Aufstand der Seleka sei gewesen, dass ihre Heimatregion vernachlässigt wurde, es dort keine Spitäler und keine Infrastruktur gab. Zudem hätten sich die Seleka mit moslemischen Kämpfern aus dem Tschad und dem Sudan verbündet. Der bedrohte Präsident Francois Bozize warnte daraufhin, dass die Moslems die Macht an sich reißen würden. "Wir religiöse Führer haben damals schon gewarnt: Achtung, das ist kein Religionskrieg, sondern ein politischer, in dem der Präsident gerade seine Macht verliert und deshalb versucht, daraus einen Religionskrieg zu machen."

Heute liegt das Land in Trümmern. "Staat und Regierung haben aufgehört zu existieren, und die Milizen bestimmen die Regeln", berichtet Nzapalainga. Gleichzeitig spielt sich eine humanitäre Tragödie ab, wurden hunderttausende Menschen vertrieben, können Hilfsorganisationen entlegene Regionen wegen der Gewalt kaum erreichen.

Layama und Nzapalainga betonen, dass es wieder ein eigenes Militär und eine eigene Polizei braucht, damit der Staat seine Bürger schützen kann. Deshalb betonen sie, dass "wir uns bei Österreich bedanken möchten", das im Rahmen einer EU-Mission vier Experten vor Ort schickt, damit in dem Land wieder eine Armee aufgebaut werden kann. Es sind bereits UN-Blauhelme und französische Einheiten in dem Land stationiert, um Schritt für Schritt für eine bessere Sicherheitslage zu sorgen.

Ein Staatsaufbau wird aber, wenn er funktioniert, Jahre dauern. Einstweilen trotzen der Erzbischof und der Imam weiter dem Hass, setzen ihr Versöhnungswerk fort. "Wir brauchen Geduld", sagt Nzapalainga. "Versöhnungsarbeit ist kein Zauber, der von heute auf morgen wirkt."